Betreff:
Einführung
eines Bürgerhaushalts
Anlage(n):
Mitzeichnung
Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 17.09.2011
Beschlussvorschlag:
Der Verwaltungs- und Finanzausschuss beschließt, die
Entscheidung über die Einführung eines Bürgerhaushalts bis mindestens nach der
Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen im Jahr 2013
zurückzustellen.
Beratungsfolge:
Vorlage an
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zur
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Sitzungsart
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Sitzungsdatum
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Beschluss
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Verwaltungs-
und Finanzausschuss
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Beschlussfassung
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öffentlich
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06.10.2011
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Sachdarstellung und
Begründung:
Im Rahmen der Diskussion über die Vorlage 215/2011 (auf die
Ausführungen darin wird verwiesen) kam die Bitte auf, Beispiele anderer in etwa
gleich großer Städte zu suchen, die bereits auf das Neue Kommunale Haushalts-
und Rechnungswesens (NKHR) umgestellt haben.
Hierfür wurden alle Städte der
Gemeindegrößenklasse C in Baden Württemberg in Betracht gezogen. Dies sind
insgesamt 79 Städte, deren Einwohnerzahl sich zwischen 20.000 und 50.000
bewegt. Laut den Angaben der Internetseite „www.buergerhaushalt.org“ sind davon
wiederum sieben Städte in der Diskussion, der Einführung oder der Fortführung
zum Thema Bürgerhaushalt. Im Folgenden wird dargestellt, welche Erfahrungen und
Einschätzungen die jeweiligen Kommunen zum Thema gemacht haben. Alle sieben
Städte sind momentan im Umstellungsprozess zum NKHR und haben vorgesehen ihre
jeweilige Eröffnungsbilanz zum 01.01.2014 bzw. zum 01.01.2015 zu erstellen.
Ellwangen (Jagst) – 24.685 Einwohner
Die Stadt Ellwangen ist derzeit in
der Prüfung, ob ein Bürgerhaushalt für das Haushaltsjahr 2013 eingeführt werden
soll.
Geislingen an der Steige – 26.907 Einwohner
Die Stadt Geislingen hat für den
Haushaltsplan 2012 erstmalig das Thema Bürgerhaushalt aufgegriffen. Dafür wurde
über die Firma komm.online eine passwortgeschützte Internetplattform eingerichtet
(Kosten: rund 6.000 EUR), auf der die Bürgerinnen und Bürger in einem Zeitraum
von drei Wochen (Ende Mai / Anfang Juni) ihre Themenpunkte abgeben konnten.
Gleichzeitig gab es entsprechende Informationen dazu im Amtsblatt. Insgesamt
gingen 56 Vorschläge ein, woraus sich schlussendlich 3 Anträge ergaben.
(Anträge:
(1) Straßenschäden durch private Baumaßnahmen durch Maßnahmen im Vorfeld
eindämmen; (2) Prüfung, ob jede zweite Straßenbeleuchtung nachts ausgeschaltet
werden kann, um Stromkosten zu verringern; (3) Prüfung, wie der Verkehrsfluss
auf der B10 verbessert werden kann). Im Hinblick auf den Haushaltsplan und die
damit verbundenen finanziellen Auswirkungen ergaben sich keine direkten
Anträge. Dass es keine entsprechende Veranstaltung zur Information und
Diskussion gab, wurde als Kritikpunkt angegeben. Auch möchte man künftig den
Rückmeldezeitraum von bisher drei Wochen verlängern. Durch Missverständnisse in
Bezug auf die Definition und Abgrenzung zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren
entsprach der Bürgerhaushalt im Nachhinein nicht den Erwartungen.
Kehl – 34.673 Einwohner
Vor fünf Jahren hatte die Stadt Kehl
in der Lokalpresse in einem Artikel (ca. eine dreiviertel Seite) über den
Haushalt informiert und einen Fragebogen abgedruckt. Über den Fragebogen konnte
angegeben werden, in welchen Bereichen eher mehr oder eher weniger ausgegeben
und investiert werden sollte. Es kamen etwa 100 Rückläufer.
Im letzten Jahr wurde wieder durch
die örtliche Presse ein Artikel (ca. eine viertel Seite) zum Thema Haushalt
veröffentlicht mit Terminangabe für eine Veranstaltung zur Information und
Diskussion über den Haushaltsplan, zu der insgesamt 11 Personen kamen. Fragen
und Anträge wurden in diesem Zusammenhang nicht gestellt und der Diskussionsschwerpunkt
lag im Bereich der Zuschüsse.
Eine Weiterführung des Projekts
„Bürgerbeteiligung“ ist aufgrund der geringen Beteiligung im letzten Jahr
vorerst nicht vorgesehen.
Rheinstetten – 20.579 Einwohner
Rheinstetten hatte seinen ersten
Bürgerhaushalt bereits schon für das Haushaltsjahr 2001. Hierzu gab es eine
Auftaktveranstaltung sowie fünf weitere Veranstaltungstermine (u.a.
Markt-Gespräch, Beratung im Jugendgemeinderat), eine 23-seitige Broschüre und
einen Fragebogen mit 27 Fragen zu 7 Themenbereichen (z.B. Stadtbücherei,
Feuerwehr). Zu den Veranstaltungen kamen insgesamt rund 150 bis 200 Bürgerinnen
und Bürger und 100 bis 150 Fragebögen kamen zurück. In den Folgejahren ging die
Bürgerbeteiligung jedoch immer weiter zurück. Mittlerweile gibt es nur noch ein
4-seitiges Informationsblatt und eine Veranstaltung. Ein Grund für den Rückgang
ist unter anderem, dass die großen Themenbereiche nach und nach abgearbeitet
waren und neue „Aufhänger“ fehlten.
Vorschläge aus der Bürgerschaft
waren unter anderem die Zusammenlegung der Feuerwehr aus den drei Stadtteilen,
die Einführung von Büchereigebühren, die Verringerung der Anzahl der
Gemeinderäte. Diese Maßnahmen wurden dann auch in den Folgejahren umgesetzt.
Auch konnte man mit den Broschüren unbegründete „Anschuldigungen“ aus dem Weg
räumen, wie z.B. dass der Winterdienst nicht ausreichend seinen Dienst
verrichtet, durch die Darstellung des Einsatzplanes und den Mengen von
Streusalz oder man konnte durch Aufklärung z.B. auch Verständnis für
Gebührenerhöhungen erzeugen.
Die Personal- und Sachkosten für die
Durchführung des Bürgerhaushaltes bzw. jetzige Bürgerinformation bewegten sich
jeweils zwischen 15.500 EUR (2001),
5.500 EUR und 3.500 EUR (momentane Version).
Schorndorf – 39.346 Einwohner
Im Jahr 2008 stand das Thema
Bürgerhaushalt im Verwaltungs- und Finanzausschuss zur Diskussion und wurde
letztendlich abgelehnt bzw. dem Vorschlag der Verwaltung, keinen Bürgerhaushalt
einzuführen, wurde entsprochen. Gründe für die Ablehnung waren u.a. die nicht
im Verhältnis stehende Relation zwischen Aufwand und dem Grad der
Bürgerbeteiligung, die geringe Umsetzungsquote aus den eingehenden Vorschlägen
und die Zusatzbelastung der Verwaltungsmitarbeiter durch das Projekt „Neues
Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen“. Auch werden andere Möglichkeiten
gesehen, wie die einzelne Bürgerin / der einzelne Bürger ihre / seine Belange
einbringen kann, zum Beispiel über die Bürger-Sprechstunde, die Gemeinderäte
und Ortschaftsräte, per E-Mail oder Anschreiben.
Waldshut-Tiengen – 22.906 Einwohner
Die Stadt Waldshut-Tiengen hat im
Jahr 2009 und nun auch wieder für das Jahr 2012 eine Bürgerbeteiligung beim
Haushaltsplanverfahren vorgesehen. Dafür wurden grundlegende Dinge und Termine
im Amtsblatt veröffentlicht und es gab eine Veranstaltung in der Stadthalle. Im
Jahr 2009 kamen zu dieser Veranstaltung rund 100 bis 120 Bürgerinnen und
Bürger. Vorgabe war bei dieser Veranstaltung, Vorschläge zu
Einsparungsmöglichkeiten zu geben, die jedoch dann eher zu Vorschlägen für
weitere Mittelansätze und -wünschen führten. Für das Jahr 2012 gab es im
Vorfeld Diskussionen im Gemeinderat bzgl. der Gefahr einer eigenen
Kompetenzbeschneidung durch die Bürgerbeteiligung. Da die letztendliche
Entscheidungskompetenz jedoch per Gesetz beim Gemeinderat liegt, entschied man
sich für eine erneute Bürgerbeteiligung. Im eigenen Mitteilungsblatt wurde auf
einer Seite ein Fragebogen abgedruckt und eine Rückmeldefrist von drei Wochen
gesetzt. Diese Frist wurde dann nochmals um zwei weitere Wochen verlängert. 41
Schreiben und Fragebögen gingen ein, aus denen wiederum 60 Vorschläge
resultieren, die größtenteils eher Wünschen entsprachen. Diese Vorschläge
werden nun aufbereitet und bei einer Bürgerversammlung nochmals thematisiert.
Ob das Projekt weitergeführt wird,
hängt von den Ergebnissen und der Entscheidung des Gemeinderats ab.
Wertheim – 23.687 Einwohner
In Wertheim gibt es - trotz der
Angabe im Internet - keinen Bürgerhaushalt. Wertheim besteht aus 15 Teilorten,
in denen der Haushalt jedes Jahr in den einzelnen Ortschaftsratsitzungen
besprochen und diskutiert wird. Die Ortschaftsräte können somit auf dem
üblichen Weg die Wünsche und Belange der jeweiligen Bürgerinnen und Bürger in
den Gesamthaushalt einbringen.
Fazit:
Die Form, die Ausführungen sowie die
Erfahrungen und Beurteilungen in Bezug auf das Thema Bürgerhaushalt fallen bei
den einzelnen Städten sehr unterschiedlich aus. Auch bei der Stadt Stuttgart
gibt es diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen und Meinungen über den
Erfolg oder die Verwertbarkeit der Ergebnisse des Bürgerhaushalts. In der
Stuttgarter Zeitung wurde der erste Bürgerhaushalt erst kürzlich sehr kritisch
betrachtet (vgl. Anlage). Darin wird u.a. der Stuttgarter Bürgermeister
Schairer zitiert, der die regelmäßig durchgeführte Bürgerumfrage durch das
Statistische Amt im wissenschaftlichen Sinn für repräsentativer hält als einen
Bürgerhaushalt, der seiner Ansicht nach eine verzerrte Darstellung der
Bürgerinteressen wiedergibt und somit als wenig seriös angesehen werden muss.
Dass die beiden Varianten der „Meinungsbefragung“ weit auseinander liegen,
sieht man bereits an den Ergebnissen. Bei der Bürgerbefragung stehen Themen wie
„Mieten zu hoch“ und „Wohnraum zu knapp“ an erster Stelle. Beim Bürgerhaushalt
nimmt der Ausbau des alten Freibads in Sillenbuch den ersten Rang ein.
Es ist abzuwarten, wie sich das
Thema Bürgerhaushalt generell bei den Gemeinden und Städten in den kommenden
Jahren entwickeln wird und inwieweit – bei positiver Entwicklung – der
Gesetzgeber reagiert, um womöglich dem Bürgerhaushalt in der Gemeindeordnung
eine gesetzliche Grundlage einzuräumen.
Die Verwaltung schlägt weiterhin vor,
die Entscheidung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen auf
Einführung eines Bürgerhaushalts bei der Stadt Kornwestheim auf den Zeitpunkt
nach der Umstellung auf das NKHR, also frühestens ab dem Jahr 2013, zu
verschieben.