Vorlage-Nr.:

215a/2011

Az.:

301 Daniela Oesterreicher
03 Dietmar Allgaier

Datum:

28.09.2011



Bürgermeisteramt

 

 

 

Sitzungsvorlage

 

 

 

Gremium:

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Am:

06.10.2011

 

 

Betreff:

Einführung eines Bürgerhaushalts

 

 

Anlage(n):

Mitzeichnung

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 17.09.2011

 

Beschlussvorschlag:

Der Verwaltungs- und Finanzausschuss beschließt, die Entscheidung über die Einführung eines Bürgerhaushalts bis mindestens nach der Umstellung auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesen im Jahr 2013 zurückzustellen.

 

Beratungsfolge:

 

Vorlage an

 

zur

 

Sitzungsart

 

Sitzungsdatum

 

Beschluss

 

 

 

 

 

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Beschlussfassung

öffentlich

06.10.2011

 

 

 

 


 

 

Sachdarstellung und Begründung:

 

Im Rahmen der Diskussion über die Vorlage 215/2011 (auf die Ausführungen darin wird verwiesen) kam die Bitte auf, Beispiele anderer in etwa gleich großer Städte zu suchen, die bereits auf das Neue Kommunale Haushalts- und Rechnungswesens (NKHR) umgestellt haben.

 

Hierfür wurden alle Städte der Gemeindegrößenklasse C in Baden Württemberg in Betracht gezogen. Dies sind insgesamt 79 Städte, deren Einwohnerzahl sich zwischen 20.000 und 50.000 bewegt. Laut den Angaben der Internetseite „www.buergerhaushalt.org“ sind davon wiederum sieben Städte in der Diskussion, der Einführung oder der Fortführung zum Thema Bürgerhaushalt. Im Folgenden wird dargestellt, welche Erfahrungen und Einschätzungen die jeweiligen Kommunen zum Thema gemacht haben. Alle sieben Städte sind momentan im Umstellungsprozess zum NKHR und haben vorgesehen ihre jeweilige Eröffnungsbilanz zum 01.01.2014 bzw. zum 01.01.2015 zu erstellen.

 

Ellwangen (Jagst) – 24.685 Einwohner

Die Stadt Ellwangen ist derzeit in der Prüfung, ob ein Bürgerhaushalt für das Haushaltsjahr 2013 eingeführt werden soll.

 

Geislingen an der Steige – 26.907 Einwohner

Die Stadt Geislingen hat für den Haushaltsplan 2012 erstmalig das Thema Bürgerhaushalt aufgegriffen. Dafür wurde über die Firma komm.online eine passwortgeschützte Internetplattform eingerichtet (Kosten: rund 6.000 EUR), auf der die Bürgerinnen und Bürger in einem Zeitraum von drei Wochen (Ende Mai / Anfang Juni) ihre Themenpunkte abgeben konnten. Gleichzeitig gab es entsprechende Informationen dazu im Amtsblatt. Insgesamt gingen 56 Vorschläge ein, woraus sich schlussendlich 3 Anträge ergaben. (Anträge:
(1) Straßenschäden durch private Baumaßnahmen durch Maßnahmen im Vorfeld eindämmen; (2) Prüfung, ob jede zweite Straßenbeleuchtung nachts ausgeschaltet werden kann, um Stromkosten zu verringern; (3) Prüfung, wie der Verkehrsfluss auf der B10 verbessert werden kann). Im Hinblick auf den Haushaltsplan und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen ergaben sich keine direkten Anträge. Dass es keine entsprechende Veranstaltung zur Information und Diskussion gab, wurde als Kritikpunkt angegeben. Auch möchte man künftig den Rückmeldezeitraum von bisher drei Wochen verlängern. Durch Missverständnisse in Bezug auf die Definition und Abgrenzung zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren entsprach der Bürgerhaushalt im Nachhinein nicht den Erwartungen.

 

 

Kehl – 34.673 Einwohner

Vor fünf Jahren hatte die Stadt Kehl in der Lokalpresse in einem Artikel (ca. eine dreiviertel Seite) über den Haushalt informiert und einen Fragebogen abgedruckt. Über den Fragebogen konnte angegeben werden, in welchen Bereichen eher mehr oder eher weniger ausgegeben und investiert werden sollte. Es kamen etwa 100 Rückläufer.

Im letzten Jahr wurde wieder durch die örtliche Presse ein Artikel (ca. eine viertel Seite) zum Thema Haushalt veröffentlicht mit Terminangabe für eine Veranstaltung zur Information und Diskussion über den Haushaltsplan, zu der insgesamt 11 Personen kamen. Fragen und Anträge wurden in diesem Zusammenhang nicht gestellt und der Diskussionsschwerpunkt lag im Bereich der Zuschüsse.

Eine Weiterführung des Projekts „Bürgerbeteiligung“ ist aufgrund der geringen Beteiligung im letzten Jahr vorerst nicht vorgesehen.

 

 

 

Rheinstetten – 20.579 Einwohner

Rheinstetten hatte seinen ersten Bürgerhaushalt bereits schon für das Haushaltsjahr 2001. Hierzu gab es eine Auftaktveranstaltung sowie fünf weitere Veranstaltungstermine (u.a. Markt-Gespräch, Beratung im Jugendgemeinderat), eine 23-seitige Broschüre und einen Fragebogen mit 27 Fragen zu 7 Themenbereichen (z.B. Stadtbücherei, Feuerwehr). Zu den Veranstaltungen kamen insgesamt rund 150 bis 200 Bürgerinnen und Bürger und 100 bis 150 Fragebögen kamen zurück. In den Folgejahren ging die Bürgerbeteiligung jedoch immer weiter zurück. Mittlerweile gibt es nur noch ein 4-seitiges Informationsblatt und eine Veranstaltung. Ein Grund für den Rückgang ist unter anderem, dass die großen Themenbereiche nach und nach abgearbeitet waren und neue „Aufhänger“ fehlten.

Vorschläge aus der Bürgerschaft waren unter anderem die Zusammenlegung der Feuerwehr aus den drei Stadtteilen, die Einführung von Büchereigebühren, die Verringerung der Anzahl der Gemeinderäte. Diese Maßnahmen wurden dann auch in den Folgejahren umgesetzt. Auch konnte man mit den Broschüren unbegründete „Anschuldigungen“ aus dem Weg räumen, wie z.B. dass der Winterdienst nicht ausreichend seinen Dienst verrichtet, durch die Darstellung des Einsatzplanes und den Mengen von Streusalz oder man konnte durch Aufklärung z.B. auch Verständnis für Gebührenerhöhungen erzeugen.

Die Personal- und Sachkosten für die Durchführung des Bürgerhaushaltes bzw. jetzige Bürgerinformation bewegten sich jeweils zwischen 15.500 EUR (2001),
5.500 EUR und 3.500 EUR (momentane Version).

 

Schorndorf – 39.346 Einwohner

Im Jahr 2008 stand das Thema Bürgerhaushalt im Verwaltungs- und Finanzausschuss zur Diskussion und wurde letztendlich abgelehnt bzw. dem Vorschlag der Verwaltung, keinen Bürgerhaushalt einzuführen, wurde entsprochen. Gründe für die Ablehnung waren u.a. die nicht im Verhältnis stehende Relation zwischen Aufwand und dem Grad der Bürgerbeteiligung, die geringe Umsetzungsquote aus den eingehenden Vorschlägen und die Zusatzbelastung der Verwaltungsmitarbeiter durch das Projekt „Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen“. Auch werden andere Möglichkeiten gesehen, wie die einzelne Bürgerin / der einzelne Bürger ihre / seine Belange einbringen kann, zum Beispiel über die Bürger-Sprechstunde, die Gemeinderäte und Ortschaftsräte, per E-Mail oder Anschreiben.

 

Waldshut-Tiengen – 22.906 Einwohner

Die Stadt Waldshut-Tiengen hat im Jahr 2009 und nun auch wieder für das Jahr 2012 eine Bürgerbeteiligung beim Haushaltsplanverfahren vorgesehen. Dafür wurden grundlegende Dinge und Termine im Amtsblatt veröffentlicht und es gab eine Veranstaltung in der Stadthalle. Im Jahr 2009 kamen zu dieser Veranstaltung rund 100 bis 120 Bürgerinnen und Bürger. Vorgabe war bei dieser Veranstaltung, Vorschläge zu Einsparungsmöglichkeiten zu geben, die jedoch dann eher zu Vorschlägen für weitere Mittelansätze und -wünschen führten. Für das Jahr 2012 gab es im Vorfeld Diskussionen im Gemeinderat bzgl. der Gefahr einer eigenen Kompetenzbeschneidung durch die Bürgerbeteiligung. Da die letztendliche Entscheidungskompetenz jedoch per Gesetz beim Gemeinderat liegt, entschied man sich für eine erneute Bürgerbeteiligung. Im eigenen Mitteilungsblatt wurde auf einer Seite ein Fragebogen abgedruckt und eine Rückmeldefrist von drei Wochen gesetzt. Diese Frist wurde dann nochmals um zwei weitere Wochen verlängert. 41 Schreiben und Fragebögen gingen ein, aus denen wiederum 60 Vorschläge resultieren, die größtenteils eher Wünschen entsprachen. Diese Vorschläge werden nun aufbereitet und bei einer Bürgerversammlung nochmals thematisiert.

Ob das Projekt weitergeführt wird, hängt von den Ergebnissen und der Entscheidung des Gemeinderats ab.

 

 

 

 

 

Wertheim – 23.687 Einwohner

In Wertheim gibt es - trotz der Angabe im Internet - keinen Bürgerhaushalt. Wertheim besteht aus 15 Teilorten, in denen der Haushalt jedes Jahr in den einzelnen Ortschaftsratsitzungen besprochen und diskutiert wird. Die Ortschaftsräte können somit auf dem üblichen Weg die Wünsche und Belange der jeweiligen Bürgerinnen und Bürger in den Gesamthaushalt einbringen.

 

Fazit:

Die Form, die Ausführungen sowie die Erfahrungen und Beurteilungen in Bezug auf das Thema Bürgerhaushalt fallen bei den einzelnen Städten sehr unterschiedlich aus. Auch bei der Stadt Stuttgart gibt es diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen und Meinungen über den Erfolg oder die Verwertbarkeit der Ergebnisse des Bürgerhaushalts. In der Stuttgarter Zeitung wurde der erste Bürgerhaushalt erst kürzlich sehr kritisch betrachtet (vgl. Anlage). Darin wird u.a. der Stuttgarter Bürgermeister Schairer zitiert, der die regelmäßig durchgeführte Bürgerumfrage durch das Statistische Amt im wissenschaftlichen Sinn für repräsentativer hält als einen Bürgerhaushalt, der seiner Ansicht nach eine verzerrte Darstellung der Bürgerinteressen wiedergibt und somit als wenig seriös angesehen werden muss. Dass die beiden Varianten der „Meinungsbefragung“ weit auseinander liegen, sieht man bereits an den Ergebnissen. Bei der Bürgerbefragung stehen Themen wie „Mieten zu hoch“ und „Wohnraum zu knapp“ an erster Stelle. Beim Bürgerhaushalt nimmt der Ausbau des alten Freibads in Sillenbuch den ersten Rang ein.

 

Es ist abzuwarten, wie sich das Thema Bürgerhaushalt generell bei den Gemeinden und Städten in den kommenden Jahren entwickeln wird und inwieweit – bei positiver Entwicklung – der Gesetzgeber reagiert, um womöglich dem Bürgerhaushalt in der Gemeindeordnung eine gesetzliche Grundlage einzuräumen.

 

Die Verwaltung schlägt weiterhin vor, die Entscheidung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen auf Einführung eines Bürgerhaushalts bei der Stadt Kornwestheim auf den Zeitpunkt nach der Umstellung auf das NKHR, also frühestens ab dem Jahr 2013, zu verschieben.

 

 

 

 


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)
2011-09-17 Stuttgarter Zeitung.pdf 2011-09-17 Stuttgarter Zeitung.pdf