Vorlage-Nr.:

190/2013

Az.:

1 Tobias Habermann

Datum:

30.04.2013



Bürgermeisteramt

 

 

 

Sitzungsvorlage

 

 

 

Gremium:

Sozialausschuss

Am:

08.05.2013

 

 

Betreff:

Sozial- und Familienpass

 

 

Anlage(n):

Mitzeichnung

Beispiele Sozialpässe in anderen Kommunen,

Derzeit geltende Richtlinien

 

Beschlussvorschlag:

Es wird beschlossen die aktuellen Richtlinien für den Familienpass zu aktualisieren und den Familienpass in einen Sozialpass umzuwandeln.

  1. Nutzerkreis des Sozialpasses: Bürgerinnen und Bürger die Leistungen nach dem SGB II beziehen; Empfänger von Wohngeld; alle Familien mit vier und mehr Kindern, alle Personen deren tatsächliches Einkommen unter den festgelegten Grenzen liegen (siehe unten); Teilnehmer eines freiwilligen sozialen, kulturellen, oder ökologischen Jahres; Bundesfreiwilligendienstleistende
  2. Leistungen des Sozialpasses: Ermäßigung der Kosten bei allen städtischen kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen, einschließlich aller Museen und des Alfred-Kercher-Bads um 50%; Ermäßigung für den ÖPNV nach bisher geltenden Festlegungen (siehe Anlage 2); Ermäßigung für Veranstaltungen der Volkshochschule um 50%, Ermäßigung der Gebühren der städtischen Musikschule (ausgenommen Einzelunterricht) um 50%, Ermäßigung der Gebühren für die Kindersportschule um 50%; Zuschuss für Gebühren von anderen Sportvereinen von 50%;

Alle Familienmitglieder erhalten einen eigenen Sozialpass

 

Beratungsfolge:

 

Vorlage an

 

zur

 

Sitzungsart

 

Sitzungsdatum

 

Beschluss

Sozialausschuss

Vorberatung

 

öffentlich

08.05.2013

 

Gemeinderat

Beschlussfassung

 

öffentlich

16.05.2013

 

 

 

Finanzielle Auswirkungen

Entfällt

 

Deckungsvorschlag:

Entfällt

 


Sachdarstellung und Begründung:

 

Einführung eines neuen Sozialpasses in Kornwestheim

 

Mit der Einführung des neuen Sozialpasses möchte die Stadt Kornwestheim insbesondere die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am kulturellen und sozialen Leben stärken und die Bildungsgerechtigkeit in der Stadt durch gezielte Förderung unterstützen.

Aus diesem Grund soll der Nutzerkreis für den Sozialpass neu festgelegt werden und die Leistungen den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst werden. Des Weiteren sollen alle Mitglieder einer berechtigten Familie einen eigenen Sozialpass erhalten, damit der Sozialpass parallel genutzt werden kann (z.B. Theaterbesuch und Schwimmbadbesuch).

 

Einkommensgrenzen (orientiert an der Stadt Stuttgart)

 

Haushalte mit Erwerbstätigen

Anzahl der Kinder

Singles/Alleinerziehende

Paare

0

1.050 Euro

1.480 Euro

1

1.620 Euro

1.830 Euro

2

1.960 Euro

2.150 Euro

3

2.300 Euro

2.470 Euro

4

2.640 Euro

2.790 Euro

 

Haushalte ohne Erwerbstätige

Anzahl der Kinder

Singles/Alleinerziehende

Paare

0

780 Euro

1.180 Euro

1

1.350 Euro

1.530 Euro

2

1.690 Euro

1.850 Euro

3

2.030 Euro

2.170 Euro

4

2.370 Euro

2.490 Euro

 

 

Informationen zu den Möglichkeiten von Sozialpässen

Nachfolgend soll kurz aufgezeigt werden, welcher Personenkreis theoretisch Anspruch auf einen Sozialpass haben kann und welche Leistungen ein Sozialpass umfassen kann.

 

 1. Warum ein Sozialpass?

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger in Deutschland leben in Armut, oder sind von Armut bedroht. Dazu heißt es im „3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“ von 2008: „Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer gingen real (…) um 4,8 Prozent zurück. (…) Entgegen dem europäischen Trend stieg (…) auch die Armutsrisikoquote von Erwerbstätigen.“[1]

 

Der Sozialpass ist eine Berechtigung auf die Inanspruchnahme von Ermäßigungen, die nach sozialen Kriterien gewährt werden. Während das Sozialticket ausschließlich Ermäßigungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bietet, umfassen die Ermäßigungen des Sozialpasses Lebensbereiche und -situationen über die Mobilität hinaus. Gleichzeitig ist eine Ermäßigung im ÖPNV nicht zwingender Weise ein Bestandteil des Sozialpasses. Bürgerinnen und Bürgern, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind oder über ein niedriges Einkommen verfügen, soll mit dem Sozialpass die Möglichkeit geboten werden, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Darauf gründend kann der Sozialpass in folgenden Bereichen Ermäßigungen anbieten:

 

1.      Mobilität (Ermäßigungen im ÖPNV)

2.      Freizeitgestaltung (Sport und Kultur)

3.      Bildung und Kinderbetreuung (Schule, Weiterbildung und Kindertageseinrichtungen)

4.      Nahrung und Kleidung (Tafel, Kleiderkammern und Sozialkaufhäuser)

5.      sonstige Dienstleistungen (Gas, Strom, Wasser, Verwaltung, Rechtsbelehrung etc.).

 

Der Sozialpass stellt zudem eine Möglichkeit dar, bereits bestehende Ermäßigungen zu kommunizieren und für die Bürgerinnen und Bürger transparent zu gestalten.

Wichtig ist dabei, dass der Sozialpass den potentiellen Nutzerinnen und Nutzern als attraktive Leistung zielgerichtet angeboten wird – d.h. unbürokratische und stigmatisierungsfreie Ausgabe des Sozialpasses.

Der Sozialpass ist eine Möglichkeit, der sozialen Ausgrenzung und Isolation vieler Bürgerinnen und Bürger auf lokaler Ebene entgegen zu wirken. Damit verbunden ist ein gesamtgesellschaftlicher Nutzen.

 

2. Wer kann den Sozialpass nutzen?

Die Regeln für die Festlegung eines zugangsberechtigten Personenkreises können sehr unterschiedlich sein.

 

2.1 Leistungen nach SGB II, SGB, VIII, SGB XII

In der überwiegenden Anzahl der Fälle sind Bürgerinnen und Bürger, die Leistungen nach SGB II oder SGB XII beziehen, berechtigt den Sozialpass zu nutzen. In wenigen Fällen gilt dies auch für Bürgerinnen und Bürger, die Leistungen nach SGB VIII beziehen.

 

2.2 Weitere Transferleistungen

In verschiedenen Städten und Kreisen gehören Bürgerinnen und Bürger, die Leistungen nach dem AsylbLG (45), WoGG (18) oder BaföG (7) beziehen, ebenfalls zu den Nutzungsberechtigten des Sozialpasses.

 

2.3 Einkommen

Das tatsächlich verfügbare Einkommen kann als Zugangsberechtigung für den Sozialpass zu Grunde liegen. Diese Regelung kann ergänzend zum Transferleistungsbezug der Bürgerinnen und Bürger gelten. Das anzurechnende Einkommen orientiert sich dabei in der Regel an der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen und den entsprechenden Regelsätzen der Sozialgesetzgebung.

 

In der Stadt Freiberg in Sachsen können bspw. folgende Bürgerinnen und Bürger den Sozialpass nutzen:

·       Bürgerinnen und Bürger die Leistungen nach SGB II oder SGB XII beziehen.

·       Sowie Bürgerinnen und Bürger, deren Nettoeinkommen nach SGB XII § 85 zuzüglich der Unterkunftskosten unter folgende Grenzen fallen:

1-Personenhaushalt 702 €

2-Personenhaushalt 948 €

3-Personenhaushalt 1.194 €

4-Personenhaushalt 1.440 €

5-Personenhaushalt 1.932 €.

 


In der Stadt Heidelberg in Baden-Württemberg gilt folgende Zugangsregelung zum Sozialpass:

·       Bürgerinnen und Bürger, die Leistungen nach SGB II, SGB XII oder Rente beziehen.

·       Familien mit mindestens zwei kindergeldberechtigten Kindern. Bürgerinnen und Bürger ab dem 65. Lebensjahr.

·       Bürgerinnen und Bürger, die unter folgende Netto-Einkommensgrenzen fallen:

1-Personenhaushalt 1.215 €

2-Personenhaushalt 1.600 €

3-Personenhaushalt 1.985 €.

 

In drei Städten wird das Jahreseinkommen als Zugangsvoraussetzung für den Sozialpass zu Grunde gelegt (Aalen, Essingen, Pulheim). In Aalen und Essingen gilt ein Bruttojahreseinkommen für Alleinerziehende in Höhe von 45.000 €. In Pulheim gilt ein Bruttojahreseinkommen für Alleinerziehende in Höhe von 30.000 € und für Familien in Höhe von 61.355 €.

 

2.4 Anzahl der Kinder

Ein weiteres Kriterium der Zugangsberechtigung zu einem Sozialpass kann die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder, die im Elternhaushalt wohnen, sein. Beispielsweise in den Städten Aalen, Aidlingen, Böblingen, Heidelberg, Ludwigsburg, ist die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder ein Erfüllungskriterium um den Sozialpass nutzen zu können.

 

In der Stadt Aalen in Baden-Württemberg gilt in Bezug auf die Anzahl der Kinder im Elternhaushalt folgende Regelung als Zugangsvoraussetzung für den Sozialpass:

·       Familien / Alleinerziehende ab drei kindergeld- bzw. kinderfreibetragberechtigten Kindern.

·       Familien / Alleinerziehende ab einem kindergeld- bzw. kinderfreibetragberechtigten Kind, deren Bruttojahreseinkommen 45.000 € nicht übersteigt.

·       Familien / Alleinerziehende mit einem behinderten Kind mit mind. 50 GdB.

 

In der Stadt Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern sind u.a. folgende Bürgerinnen und Bürger sozialpassberechtigt:

·       Familien mit mind. drei kindergeldberechtigten Kindern.

 

2.5 Sonstige

Es können auch Teilnehmer eines Freiwilligen Ökologischen, eines Freiwillen Sozialen Jahres oder Bundesfreiwilligendienstleistende sozialpassberechtigt sein.

 

 

3. Welche Leistungen umfasst der Sozialpass?

Der Leistungsumfang und auch Ermäßigungsgrad kann unterschiedlich gestaltet werden.

 

3.1 Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen

Allgemein gilt, dass in Verbindung mit dem Sozialpass v.a. bei kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen Ermäßigungen angeboten werden. Beispielsweise können Bibliotheken, Museen, Bäder, Musikschulen, Volkshochschulen und Vereine Ermäßigungen bei ihren Mitgliedschaften und Veranstaltungen anbieten. Diese Regelungen verursachen in der Regel kaum oder keine Mehrkosten, weil die Leistungen ohnehin angeboten werden. Die Ermäßigungen des Sozialpasses können vielmehr dazu führen, dass die entsprechenden Institutionen, von finanziell schwächeren Bürgerinnen und Bürgern, stärker besucht werden. Für Bibliotheken, Museen und Bäder kann das höhere Besucherzahlen bedeuten – gegebenenfalls also eine bessere Kosten-Nutzen-Relation.

 


3.2 Schulen und Kindertagesstätten

Vielerorts werden mit dem Sozialpass im Bereich Schule und Kindertagesbetreuung Ermäßigungen angeboten. Diese Ermäßigungen sind Essenszuschüsse bis hin zu entgeltfreien Essen, Materialkostenzuschüsse zur Einschulung, Gebührenerlass beim Besuch von Kindertageseinrichtungen, Ganztagsschulen oder dem Schulhort sowie Zuschüsse für Klassen- und Ferienfahrten.

In der Stadt Luckenwalde in Brandenburg gibt es einen Einschulungsgutschein, der einen Schulranzen, eine Sporttasche und eine Federmappe umfasst. In Stuttgart gilt eine ähnliche Regelung als „Ranzengeld“, die 100 € umfasst. Die Stadt Bonn bietet entgeltfreies Mittagessen in Ganztagsschulen, ein entgeltfreies „Schulmilchfrühstück“ in den Klassen 1 bis 4 sowie entgeltfreie Schulutensilien und Schullandaufenthalte.

 

3.3 ÖPNV

In der Stadt Berlin kann man als Inhaber des Sozialpasses beispielsweise das „Berlin Ticket S“ nutzen – ein Monatsfahrschein kostet dann 33,50 € anstatt 72 €. Die Stadt Dresden bietet Sozialpassinhabern 8 € Ermäßigung auf den Monatsfahrschein in Form von Wertmarken an. Die amtsfreie Gemeinde Handewitt in Schleswig-Holstein erlässt Sozialpassinhabern 90 Prozent von 50 €, die der Monatsfahrschein dort kostet. In der rheinlandpfälzischen Stadt Ingelheim a. Rhein dürfen Sozialpassinhaber den Stadtbus entgeltfrei nutzen.

 

3.4 Kleidung und Nahrung

Der Sozialpass kann einen Zugang zur örtlichen Tafel und Kleiderkammer enthalten (z.B. Tübingen und Stuttgart).

 

3.5 Weitere Leistungen

Weitere Leistungen für Sozialpassinhaber können Ermäßigungen bei den Verwaltungskosten der Kommune sein oder Ermäßigungen auf die Hundesteuer.

Auch Leistungen von privatwirtschaftlichen Unternehmen können Bestandteil des Sozialpasses sein.

 

Die finanziellen Auswirkungen können erst auf Basis eines Richtlinienentwurfs hochgerechnet werden.

 

 

 

 

 



[1] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Lebenslagen in Deutschland. Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. (Kurzfassung), 2008, S. IV, http://www.bmas.de/coremedia/generator/26892/property=pdf/dritter__armuts__und__reichtumsbericht__kurzfassung.pdf, 24.06.2009, 11 Uhr.


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)
Anlage 1 Beispiele Sozialpässe in anderen Kommunen.pdfAnlage 1 Beispiele Sozialpässe in anderen Kommunen.pdf Derzeit_geltende_Richtlinien.pdfDerzeit_geltende_Richtlinien.pdf