Vorlage-Nr.:

150/2012

Az.:

03 Dietmar Allgaier

Datum:

02.05.2012



Bürgermeisteramt

 

 

 

Sitzungsvorlage

 

 

 

Gremium:

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Am:

10.05.2012

 

 

Betreff:

Einrichtung einer Ravensburger Kinderwelt im Wette-Center

 

 

Anlage(n):

Mitzeichnung

 

 

Beschlussvorschlag:

  1. Die Stadt Kornwestheim errichtet in Kooperation mit der Ravensburger Freizeit- und Promotion Service GmbH eine Bildungseinrichtung im Wette-Center.
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, in Abstimmung mit Ravensburger und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouse Coopers (PWC) die bestgeeignete Rechtsform für den Betrieb abzustimmen und dem Gemeinderat zur Entscheidung vorzulegen.
  3. Die Stadt Kornwestheim übt die Option zur Anmietung einer weiteren Fläche über ca. 1.400 qm im 1. OG des Wette-Centers zum Mietpreis in Höhe von 7,50 EUR pro qm zzgl. Mwst und Nebenkosten gem. dem Mietvertrag mit der Dietz AG vom 31.01.2012 aus.
  4. Der Gemeinderat stimmt einer überplanmäßigen Ausgabe in Höhe von 500.000 EUR auf Haushaltsstelle 1.6100.6120 (Planung, Gutachten, Wettbewerbe, Modelle) zu.

 

Beratungsfolge:

 

Vorlage an

 

zur

 

Sitzungsart

 

Sitzungsdatum

 

Beschluss

 

 

 

 

 

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Vorberatung

öffentlich

10.05.2012

 

Gemeinderat

Beschlussfassung

öffentlich

24.05.2012

 

 

 


Finanzielle Auswirkungen

HHJ

Finanzposition

Betrag

Plan

Auswirkungen

Erläuterungen

 

 

 

 

 

 

2012

1.6100.6120

500.000 EUR

Üpl

 

Informationen über die erforderlichen Ausgaben lagen zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltplans 2012 nicht vor.

 

 

Deckungsvorschlag:

HHJ

Finanzposition

Betrag

Auswirkungen

Erläuterungen

 

 

 

 

 

2012

1.9000.0030

500.000 EUR

 

Im Jahr 2011 wurden deutlich höhere Einnahmen aus Gewebesteuer verbucht als veranschlagt. Die genauen Ergebnisse werden dem Gemeinderat im Rahmen der Jahresabrechnung 2011 vorgestellt.

 

 

 


Sachdarstellung und Begründung:

 

Die Ravensburger Freizeit- und Promotion Service GmbH hat ihr Konzept für eine Ravensburger Kinderwelt im Wette-Center dem Gemeinderat am 20.12.2011 präsentiert und der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 16.02.2012 die Verwaltung u.a. beauftragt, eine Konzeption zur weitergehenden Nutzung der Ravensburger Kinderwelt zu erstellen. Zudem mussten die rechtlichen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Stuttgart geprüft und abgestimmt werden.

 

Rechtlich betrachtet richtet sich die Zulässigkeit eines wirtschaftlichen Unternehmens nach

§ 102 Gemeindeordnung (GemO). Diese Norm lässt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nur unter bestimmten Voraussetzungen zu, weil jede unternehmerische Tätigkeit mit einem finanziellen Risiko verbunden ist und weil dafür nicht unbesehen Steuermittel eingesetzt werden dürfen – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 102 I GemO müssen gemeinsam erfüllt sein, die Rechtsform ist dabei grundsätzlich unerheblich. Nach der Vorschrift ist eine wirtschaftliche Betätigung nur zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck das Unternehmen rechtfertigt, das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Stadt und zum voraussichtlichen Bedarf steht und außerhalb der Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut durch einen privaten Anbieter erfüllt werden kann.

 

  1. Voraussetzung „öffentlicher Zweck“: Die wirtschaftliche Betätigung muss sich ent­sprechend dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit bewegen. Die Kinderwelt stellt ein Bildungs-, Bewegungs- und Betreuungs­­angebot für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern dar, das über rein kommerzielle Zwecke hinausgeht. Schließlich ist die Stadt auf diesen Geschäfts­feldern bereits vielfältig tätig (Kindertageseinrichtungen, Schulen, Kinder­sport­schule etc.). Darüber hinaus soll ein Kinderhort in die Einrichtung integriert werden und es sind vielfältige Kooperationen mit weiteren öffentlichen Einrichtungen geplant, vgl. Vorlage Nr. 41/2012. Aus dem vorliegenden Businessplan für die Kinderwelt ist zudem ersichtlich, dass die Einrichtung nicht primär mit der Absicht eingerichtet wird, Gewinne zu erzielen, sondern um des öffentlichen Zwecks der Bildung willen.

 

  1. Voraussetzung „Leistungsfähigkeit und Bedarf“: Ein wirtschaftliches Unternehmen muss nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungs­fähig­keit der Stadt und zum voraussichtlichen Bedarf stehen. Das heißt, es dürfen weder Über- noch Unter­kapazitäten geschaffen werden. Die Leistungsfähigkeit des wirtschaftlichen Unternehmens ist anhand des Businessplans zu beurteilen und die Leistungsfähigkeit der Kommune ist mit Hilfe der Finanzplanung zu begutachten. Die Abwägung ist eine Aufgabe des Gemeinderats, wobei die finanziellen Kennzahlen der Stadt derzeit gut sind. Der vorgelegte Businessplan von Ravensburger zeigt, dass die Einrichtung zunächst auf Betriebskosten­zu­schüsse der Stadt angewiesen sein wird bzw. das die Stadt die Liquidität für die erforderlichen Investitionen zur Einrichtung der Kinderwelt zur Verfügung stellen muss. Die Verwaltung geht jedoch davon aus, dass die Stadt finanziell dazu in der Lage ist, diese Zuschüsse auch tragen zu können. Die Stadt Kornwestheim ist seit dem 31.03.2012 schuldenfrei und blickt auf ein sehr positives Wirtschaftsjahr 2011 zurück, welches die Finanzsituation der Stadt gegenwärtig weiter verbessert.

 

  1. Voraussetzung „Subsidiaritätsklausel“: Die echte Subsidiaritätsklausel lässt die wirtschaft­liche Betätigung außerhalb der kommunalen Daseins­vorsorge nur dann zu, wenn der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen Dritten erfüllt werden kann.  Die Gemeinde muss besser sein als die Privatwirtschaft; d.h. vor Aufnahme einer solchen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit muss die Gemeinde die relevanten Marktgegebenheiten in Hinsicht auf die vorhandene Leistungsfähigkeit und Effizienz privater Anbieter werten.

Es muss geprüft werden, ob für die wirtschaftliche Betätigung ein öffentliches Bedürfnis besteht – wenn ein quantitativ wie qualitativ ausreichendes Angebot der Privatwirt­schaft besteht, kann ein solches Bedürfnis i.d.R. nicht bejaht werden. Die Gemeinde muss die Leistungserbringung ihres Unternehmens mit derjenigen eines privaten Anbieters vergleichen. In Kornwestheim gibt es gegenwärtig keine vergleich­bare Einrichtung, zu der eine Konkurrenz durch die öffentliche Hand entstehen könnte. In der Region Stuttgart gibt es zwar diverse private Spielangebote in Hallen, wie z.B. Indoor­spiel­plätze, jedoch sind der Bildungsgedanke und pädagogische Zielsetzungen in diesen Einrichtungen nicht mit der geplanten Kinderwelt im Wette-Center vergleichbar. Darüber hinaus hat die vorgesehene kommunale Einrichtung sicher auch unter sozialen Gesichtspunkten Vorteile, da sie z.B. sozial schwächere Schichten (städtische Familienpassinhaber) beim Eintrittsgeld begünstigen könnte. Aus den genannten Gründen geht die Verwaltung davon aus, dass die Einrichtung der Kinderwelt nicht an der Hürde der Subsidiaritätsklausel scheitert.

 

Nach Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Einrichtung einer kommunalen Kinderwelt im Wette-Center stellt sich die weitere Frage nach der geeigneten Rechtsform für den Betrieb.

 

Die Ravensburger Freizeit- und Promotion Service GmbH ging in ihrem Businessplan zunächst von der Einrichtung einer kommunalen GmbH aus. Die entscheidenden Kriterien für die Wahl der Rechtsform sind die unmittelbaren Einflussmöglichkeiten der Kommune auf den Betrieb, dessen Steuerung im Sinne der politischen Zielvorgabe und Zielkontrolle sowie ggf. die gemeinsame Aufgabenerfüllung durch mehrere Beteiligte. Die kommunalen Einfluss­möglichkeiten und die Steuerung des Unternehmens durch den Gemeinderat können sowohl in der Rechtsform der GmbH als auch bei einem Eigenbetrieb gewährleistet werden. Auch eine direkte Eingliederung in den städtischen Haushalt ist möglich. Der Unterschied liegt darin, dass bei den städtischen GmbH’s grundsätzlich die Entscheidungen im zuständigen Aufsichtsrat getroffen werden und beim Eigenbetrieb entweder von einem fakultativen Betriebsauschuss oder von den herkömmlichen kommunalen Gremien (Fach­aus­schüsse und Gemeinderat). Darüber hinaus verfügt die GmbH über einen Geschäfts­führer und der Eigenbetrieb über einen Betriebsleiter. Beiden kann im Rahmen des Gesell­schaftsvertrags für die GmbH oder im Rahmen der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb eine weitgehende Entscheidungsbefugnis zur flexiblen und eigen­verant­wortlichen Führung des Betriebs übertragen werden. Bei einer Eingliederung in den städtischen Haushalt obliegen sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bildungswelt der Verwaltung bzw. dem Gemeinderat.

 

Vorteile hätte die Rechtsform der GmbH bei einer privaten Beteiligung am Unternehmen, wobei zumindest das Unternehmen Ravensburger von Beginn an erklärt hat, dass man sich eine direkte Beteiligung an der Gesellschaft nicht vorstellen könne. Denkbar wäre ebenfalls eine Beteiligung der Dietz AG an der Gesellschaft. Eine privatrechtliche Organisationsform kann im wirtschaftlichen, organisatorischen und personellen Bereich grundsätzlich flexibler geführt werden. Einengende Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts brauchen nicht angewendet zu werden, die Personalwirtschaft kann flexibler gestaltet werden und i.d.R. überlagern betriebswirtschaftliche Argumente die kommunalpolitischen Überlegungen. Die Wahl einer bestimmten Organisationsform allein führt jedoch nicht zwingend zu einer größeren Wirtschaftlichkeit.

 


Aus steuerlicher Sicht sind insbesondere umsatzsteuerliche Erwägungen bei der Ausge­stal­tung der erforderlichen Zuschüsse an die Kinderwelt bei der Rechtsformwahl zu beachten. Nach der bisherigen steuerrechtlichen Prüfung kann nach Ansicht des eingeschalteten Wirtschaftsberatungsunternehmens sowohl beim Eigenbetrieb als auch bei der GmbH begründet werden, dass Verlustausgleichszahlungen durch die Stadt an den Betrieb nicht der Umsatzsteuer unterliegen werden. Ob ein umsatzsteuerpflichtiger Austausch zwischen der Stadt und dem Betrieb der Kinderwelt von der Finanzverwaltung angenommen wird, kann bisher nicht vollständig ausgeschlossen werden, so dass hier eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung empfohlen wird.

 

Steuerrechtlich ist zudem auf die Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs bei den zu den tätigenden Investitionen über voraussichtlich 2,5 Mio. EUR zu achten. Die Stadt könnte den Vorsteuerabzug nur geltend machen, wenn sie selbst steuerpflichtige Ausgangsumsätze erzielen würde. Hierfür sind aber v.a. die zu erwartenden Umsätze mit den Besuchern der Kinderwelt relevant, um einen möglichst hohen Vorsteuerabzug der Einrichtung zu generieren. Zu beachten ist des Weiteren, dass die hoheitlichen Nutzungsanteile durch den Hort etc. nichtwirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, für die ein Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden kann. Es muss also eine Abgrenzung erfolgen, wie dies auch beim Neubau des Kulturzentrums und der hoheitlichen Aufgabe der Stadtbücherei praktiziert wird.

 

Aufgrund der Komplexität der Entscheidung über die bestgeeignete Rechtsform der Ravensburger Kinderwelt ist nach der Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde über die grundsätzliche Zulässigkeit eine weitere Abstimmung mit der Ravensburger Freizeit- und Promotion Service GmbH und dem beauftragten Wirtschaftsberatungsunternehmen erforderlich.

 

Damit diese Entscheidungen fachgerecht vorbereitet werden können und ein Detailkonzept ausgearbeitet werden kann, das auch schon ein Feinkonzept von Ravensburger über die geplanten Attraktionen, Räume, den Shop und die Gastronomiebereiche enthält, müssen vom Gemeinderat außerplanmäßige Mittel zur Finanzierung bereitgestellt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Haushaltsplanberatungen für das Jahr 2012 noch keine Mittel für das Vorhaben im Wettecenter angemeldet und bereitgestellt wurden. Die Verwaltung schlägt vor, einen Anteil in Höhe von 500.000 EUR im Haushalt der Stadt bereit zu stellen, um die erforderlichen Planungen für die Errichtung der Kinderwelt voranzutreiben. Dieser Betrag ist in dem von Ravensburger Businessplan für den Erstinvest in Höhe von 2,5 Millionen Euro enthalten. Die weitere Finanzierung des Vorhabens ist dann in einem Wirtschaftsplan der zu gründen­den GmbH oder des Eigenbetriebs nachzuweisen.

 

Das Finanzdezernat weist abschließend darauf hin, dass – rein aus finanztechnischer Betrachtung – die jährliche Bezuschussung der Bildungswelt in Höhe von ca. 500.000.- Euro (lt  derzeitiger Prognose) eine mindestens auf 10 Jahre andauernde starke Belastung des städtischen Haushalts darstellt. Unter weiterer Berücksichtigung der derzeit noch nicht eindeutig feststehenden finanziellen Entwicklung des Kulturzentrums muss es der Verwaltung und dem Gemeinderat der Stadt Kornwestheim klar sein, dass sie mit der Einrichtung der Bildungswelt einen sog. „Dauer-Verlustbringer“ zugunsten der Belebung der Innenstadt und der Aufwertung des Bildungs- und Familienstandorts Kornwestheim in die künftige Politik eingliedert und diese Verluste auch ausgleichen muss. Nachdem es sich hierbei um eine rein freiwillige Maßnahme handelt und nicht um eine Pflichtaufgabe der Kommune, ist daher eine Abwägung der Interessen – auch zukünftig - unumgänglich.

 


Wie bereits unter Tz. 2 dieser Vorlage ausgeführt, ist die Stadt Kornwestheim derzeit in der Lage, die finanziellen Aufwendungen für dieses Projekt zu tragen. Die sich ergebenden Synergien – insbesondere durch die Unterbringung des Schülerhorts im Wette-Center – sind in Vorlage Nr. 42/2012 auf- und ausgeführt worden. Allerdings muss der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass eine Betrachtung der finanziellen Entwicklung der Stadt Kornwestheim nicht auf den gesamten vorgesehenen Zeitraum des Betriebs der Bildungswelt möglich ist. Dies bedeutet, dass bei einer eventuellen Verschlechterung der wirtschaftlichen Gegebenheiten bzw. der Haushaltssituation der Stadt Kornwestheim auch auf die dann eintretende Entwicklung reagiert werden muss. Im sog. „worst-case“ müsste – sollte sich der Verlust nicht durch die erwartete Besucherfrequenz deutlich reduziert haben – im Falle einer Schließung der Bildungswelt ein jährliches Defizit für die Mietzahlungen bis zum Auslaufen des Mietvertrags im Jahr 2022 in Höhe von rund 220.000.- Euro p.a. (netto) in Kauf genommen werden. Hierbei sind allerdings keine Mieteinnahmen durch eine dann mögliche andere Untervermietung gegengerechnet – der Betrag bezieht sich rein auf die Mietaufwendungen im Wette-Center im angemieteten Bereich ohne Nebenkosten.

 

Der Vollständigkeit zu erwähnen ist der Umstand, dass sich die Verwaltung derzeit sehr stark um Fördergelder für die Bildungswelt bemüht und weiter bemühen wird. Bislang liegen der Stadtverwaltung bereits Förderzusagen vor in Höhe von 220.000.- Euro.

 

Auch unter Berücksichtigung der rein betriebswirtschaftlichen Argumente sieht die Verwaltung in der Einrichtung der Bildungswelt eine große Chance den Standort Kornwestheim und die Innenstadt durch die Förderung einer kommunalen Einrichtung im „Herzen der Stadt“ neben den ohnehin derzeit laufenden baulichen Maßnahmen, die zur Aufwertung der Innenstadt führen, weiter auszubauen und zu fördern. Dem Gemeinderat wird daher empfohlen, wie vorgeschlagen zu beschließen.

 

 

 

 


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)
Keine Anlagen