Betreff:
Einrichtung
einer Ravensburger Kinderwelt im Wette-Center
Anlage(n):
Mitzeichnung
Beschlussvorschlag:
- Die
Stadt Kornwestheim errichtet in Kooperation mit der Ravensburger Freizeit-
und Promotion Service GmbH eine Bildungseinrichtung im Wette-Center.
- Die Verwaltung wird beauftragt,
in Abstimmung mit Ravensburger und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
PriceWaterhouse Coopers (PWC) die bestgeeignete Rechtsform für den Betrieb
abzustimmen und dem Gemeinderat zur Entscheidung vorzulegen.
- Die Stadt Kornwestheim übt die
Option zur Anmietung einer weiteren Fläche über ca. 1.400 qm im 1. OG des
Wette-Centers zum Mietpreis in Höhe von 7,50 EUR pro qm zzgl. Mwst und
Nebenkosten gem. dem Mietvertrag mit der Dietz AG vom 31.01.2012 aus.
- Der Gemeinderat stimmt einer
überplanmäßigen Ausgabe in Höhe von 500.000 EUR auf Haushaltsstelle
1.6100.6120 (Planung, Gutachten, Wettbewerbe, Modelle) zu.
Beratungsfolge:
Vorlage an
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zur
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Sitzungsart
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Sitzungsdatum
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Beschluss
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Verwaltungs-
und Finanzausschuss
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Vorberatung
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öffentlich
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10.05.2012
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Gemeinderat
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Beschlussfassung
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öffentlich
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24.05.2012
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Finanzielle Auswirkungen
HHJ
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Finanzposition
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Betrag
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Plan
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Auswirkungen
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Erläuterungen
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2012
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1.6100.6120
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500.000 EUR
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Üpl
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Informationen über die
erforderlichen Ausgaben lagen zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltplans
2012 nicht vor.
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Deckungsvorschlag:
HHJ
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Finanzposition
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Betrag
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Auswirkungen
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Erläuterungen
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2012
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1.9000.0030
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500.000 EUR
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Im Jahr 2011 wurden
deutlich höhere Einnahmen aus Gewebesteuer verbucht als veranschlagt. Die
genauen Ergebnisse werden dem Gemeinderat im Rahmen der Jahresabrechnung 2011
vorgestellt.
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Sachdarstellung und
Begründung:
Die Ravensburger Freizeit- und Promotion Service GmbH hat
ihr Konzept für eine Ravensburger Kinderwelt im Wette-Center dem Gemeinderat am
20.12.2011 präsentiert und der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 16.02.2012
die Verwaltung u.a. beauftragt, eine Konzeption zur weitergehenden Nutzung der
Ravensburger Kinderwelt zu erstellen. Zudem mussten die rechtlichen
Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung der Stadt in Zusammenarbeit
mit dem Regierungspräsidium Stuttgart geprüft und abgestimmt werden.
Rechtlich betrachtet richtet sich
die Zulässigkeit eines wirtschaftlichen Unternehmens nach
§ 102 Gemeindeordnung (GemO). Diese
Norm lässt die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nur unter bestimmten
Voraussetzungen zu, weil jede unternehmerische Tätigkeit mit einem finanziellen
Risiko verbunden ist und weil dafür nicht unbesehen Steuermittel eingesetzt
werden dürfen – die gesetzlichen Voraussetzungen des § 102 I GemO müssen
gemeinsam erfüllt sein, die Rechtsform ist dabei grundsätzlich
unerheblich. Nach der Vorschrift ist eine wirtschaftliche Betätigung nur
zulässig, wenn ein öffentlicher Zweck das Unternehmen rechtfertigt, das
Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit
der Stadt und zum voraussichtlichen Bedarf steht und außerhalb der
Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut durch einen privaten Anbieter
erfüllt werden kann.
- Voraussetzung „öffentlicher
Zweck“: Die wirtschaftliche Betätigung muss sich entsprechend dem
kommunalen Selbstverwaltungsrecht im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen
Zuständigkeit bewegen. Die Kinderwelt stellt ein Bildungs-, Bewegungs- und
Betreuungsangebot für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern dar, das über
rein kommerzielle Zwecke hinausgeht. Schließlich ist die Stadt auf diesen
Geschäftsfeldern bereits vielfältig tätig (Kindertageseinrichtungen,
Schulen, Kindersportschule etc.). Darüber hinaus soll ein Kinderhort in
die Einrichtung integriert werden und es sind vielfältige Kooperationen
mit weiteren öffentlichen Einrichtungen geplant, vgl. Vorlage Nr. 41/2012.
Aus dem vorliegenden Businessplan für die Kinderwelt ist zudem
ersichtlich, dass die Einrichtung nicht primär mit der Absicht
eingerichtet wird, Gewinne zu erzielen, sondern um des öffentlichen Zwecks
der Bildung willen.
- Voraussetzung „Leistungsfähigkeit
und Bedarf“: Ein wirtschaftliches Unternehmen muss nach Art und Umfang
in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Stadt und
zum voraussichtlichen Bedarf stehen. Das heißt, es dürfen weder Über- noch
Unterkapazitäten geschaffen werden. Die Leistungsfähigkeit des
wirtschaftlichen Unternehmens ist anhand des Businessplans zu beurteilen
und die Leistungsfähigkeit der Kommune ist mit Hilfe der Finanzplanung zu
begutachten. Die Abwägung ist eine Aufgabe des Gemeinderats, wobei die
finanziellen Kennzahlen der Stadt derzeit gut sind. Der vorgelegte Businessplan
von Ravensburger zeigt, dass die Einrichtung zunächst auf Betriebskostenzuschüsse
der Stadt angewiesen sein wird bzw. das die Stadt die Liquidität für die
erforderlichen Investitionen zur Einrichtung der Kinderwelt zur Verfügung
stellen muss. Die Verwaltung geht jedoch davon aus, dass die Stadt
finanziell dazu in der Lage ist, diese Zuschüsse auch tragen zu können.
Die Stadt Kornwestheim ist seit dem 31.03.2012 schuldenfrei und blickt auf
ein sehr positives Wirtschaftsjahr 2011 zurück, welches die
Finanzsituation der Stadt gegenwärtig weiter verbessert.
- Voraussetzung „Subsidiaritätsklausel“:
Die echte Subsidiaritätsklausel lässt die wirtschaftliche Betätigung
außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge nur dann zu, wenn der Zweck
nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen Dritten erfüllt werden
kann. Die Gemeinde muss besser
sein als die Privatwirtschaft; d.h. vor Aufnahme einer solchen
erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit muss die Gemeinde die relevanten
Marktgegebenheiten in Hinsicht auf die vorhandene Leistungsfähigkeit und
Effizienz privater Anbieter werten.
Es muss geprüft werden, ob für die
wirtschaftliche Betätigung ein öffentliches Bedürfnis besteht – wenn ein
quantitativ wie qualitativ ausreichendes Angebot der Privatwirtschaft besteht,
kann ein solches Bedürfnis i.d.R. nicht bejaht werden. Die Gemeinde muss die
Leistungserbringung ihres Unternehmens mit derjenigen eines privaten Anbieters
vergleichen. In Kornwestheim gibt es gegenwärtig keine vergleichbare
Einrichtung, zu der eine Konkurrenz durch die öffentliche Hand entstehen
könnte. In der Region Stuttgart gibt es zwar diverse private Spielangebote in
Hallen, wie z.B. Indoorspielplätze, jedoch sind der Bildungsgedanke und
pädagogische Zielsetzungen in diesen Einrichtungen nicht mit der geplanten
Kinderwelt im Wette-Center vergleichbar. Darüber hinaus hat die vorgesehene
kommunale Einrichtung sicher auch unter sozialen Gesichtspunkten Vorteile, da
sie z.B. sozial schwächere Schichten (städtische Familienpassinhaber) beim
Eintrittsgeld begünstigen könnte. Aus den genannten Gründen geht die Verwaltung
davon aus, dass die Einrichtung der Kinderwelt nicht an der Hürde der
Subsidiaritätsklausel scheitert.
Nach Bestätigung der Rechtmäßigkeit
der Einrichtung einer kommunalen Kinderwelt im Wette-Center stellt sich die
weitere Frage nach der geeigneten Rechtsform für den Betrieb.
Die Ravensburger Freizeit- und
Promotion Service GmbH ging in ihrem Businessplan zunächst von der Einrichtung
einer kommunalen GmbH aus. Die entscheidenden Kriterien für die Wahl der
Rechtsform sind die unmittelbaren Einflussmöglichkeiten der Kommune auf den Betrieb,
dessen Steuerung im Sinne der politischen Zielvorgabe und Zielkontrolle sowie
ggf. die gemeinsame Aufgabenerfüllung durch mehrere Beteiligte. Die kommunalen
Einflussmöglichkeiten und die Steuerung des Unternehmens durch den Gemeinderat
können sowohl in der Rechtsform der GmbH als auch bei einem Eigenbetrieb
gewährleistet werden. Auch eine direkte Eingliederung in den städtischen
Haushalt ist möglich. Der Unterschied liegt darin, dass bei den städtischen
GmbH’s grundsätzlich die Entscheidungen im zuständigen Aufsichtsrat getroffen
werden und beim Eigenbetrieb entweder von einem fakultativen Betriebsauschuss
oder von den herkömmlichen kommunalen Gremien (Fachausschüsse und
Gemeinderat). Darüber hinaus verfügt die GmbH über einen Geschäftsführer und
der Eigenbetrieb über einen Betriebsleiter. Beiden kann im Rahmen des Gesellschaftsvertrags
für die GmbH oder im Rahmen der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb eine
weitgehende Entscheidungsbefugnis zur flexiblen und eigenverantwortlichen
Führung des Betriebs übertragen werden. Bei einer Eingliederung in den
städtischen Haushalt obliegen sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der
Bildungswelt der Verwaltung bzw. dem Gemeinderat.
Vorteile hätte die Rechtsform der
GmbH bei einer privaten Beteiligung am Unternehmen, wobei zumindest das
Unternehmen Ravensburger von Beginn an erklärt hat, dass man sich eine direkte
Beteiligung an der Gesellschaft nicht vorstellen könne. Denkbar wäre ebenfalls
eine Beteiligung der Dietz AG an der Gesellschaft. Eine privatrechtliche
Organisationsform kann im wirtschaftlichen, organisatorischen und personellen
Bereich grundsätzlich flexibler geführt werden. Einengende Vorschriften des
Gemeindewirtschaftsrechts brauchen nicht angewendet zu werden, die
Personalwirtschaft kann flexibler gestaltet werden und i.d.R. überlagern
betriebswirtschaftliche Argumente die kommunalpolitischen Überlegungen. Die
Wahl einer bestimmten Organisationsform allein führt jedoch nicht zwingend zu
einer größeren Wirtschaftlichkeit.
Aus steuerlicher Sicht sind
insbesondere umsatzsteuerliche Erwägungen bei der Ausgestaltung der
erforderlichen Zuschüsse an die Kinderwelt bei der Rechtsformwahl zu beachten.
Nach der bisherigen steuerrechtlichen Prüfung kann nach Ansicht des
eingeschalteten Wirtschaftsberatungsunternehmens sowohl beim Eigenbetrieb als
auch bei der GmbH begründet werden, dass Verlustausgleichszahlungen durch die
Stadt an den Betrieb nicht der Umsatzsteuer unterliegen werden. Ob ein
umsatzsteuerpflichtiger Austausch zwischen der Stadt und dem Betrieb der
Kinderwelt von der Finanzverwaltung angenommen wird, kann bisher nicht
vollständig ausgeschlossen werden, so dass hier eine Abstimmung mit der
Finanzverwaltung empfohlen wird.
Steuerrechtlich ist zudem auf die
Möglichkeiten des Vorsteuerabzugs bei den zu den tätigenden Investitionen über
voraussichtlich 2,5 Mio. EUR zu achten. Die Stadt könnte den Vorsteuerabzug nur
geltend machen, wenn sie selbst steuerpflichtige Ausgangsumsätze erzielen
würde. Hierfür sind aber v.a. die zu erwartenden Umsätze mit den Besuchern der
Kinderwelt relevant, um einen möglichst hohen Vorsteuerabzug der Einrichtung zu
generieren. Zu beachten ist des Weiteren, dass die hoheitlichen Nutzungsanteile
durch den Hort etc. nichtwirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, für die ein
Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden kann. Es muss also eine Abgrenzung
erfolgen, wie dies auch beim Neubau des Kulturzentrums und der hoheitlichen
Aufgabe der Stadtbücherei praktiziert wird.
Aufgrund der Komplexität der
Entscheidung über die bestgeeignete Rechtsform der Ravensburger Kinderwelt ist
nach der Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde über die grundsätzliche
Zulässigkeit eine weitere Abstimmung mit der Ravensburger Freizeit- und
Promotion Service GmbH und dem beauftragten Wirtschaftsberatungsunternehmen
erforderlich.
Damit diese Entscheidungen
fachgerecht vorbereitet werden können und ein Detailkonzept ausgearbeitet
werden kann, das auch schon ein Feinkonzept von Ravensburger über die geplanten
Attraktionen, Räume, den Shop und die Gastronomiebereiche enthält, müssen vom
Gemeinderat außerplanmäßige Mittel zur Finanzierung bereitgestellt werden. Es
wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Haushaltsplanberatungen für das
Jahr 2012 noch keine Mittel für das Vorhaben im Wettecenter angemeldet und
bereitgestellt wurden. Die Verwaltung schlägt vor, einen Anteil in Höhe von
500.000 EUR im Haushalt der Stadt bereit zu stellen, um die erforderlichen
Planungen für die Errichtung der Kinderwelt voranzutreiben. Dieser Betrag ist
in dem von Ravensburger Businessplan für den Erstinvest in Höhe von 2,5
Millionen Euro enthalten. Die weitere Finanzierung des Vorhabens ist dann in
einem Wirtschaftsplan der zu gründenden GmbH oder des Eigenbetriebs
nachzuweisen.
Das Finanzdezernat weist abschließend
darauf hin, dass – rein aus finanztechnischer Betrachtung – die jährliche
Bezuschussung der Bildungswelt in Höhe von ca. 500.000.- Euro (lt derzeitiger Prognose) eine mindestens auf 10
Jahre andauernde starke Belastung des städtischen Haushalts darstellt. Unter
weiterer Berücksichtigung der derzeit noch nicht eindeutig feststehenden
finanziellen Entwicklung des Kulturzentrums muss es der Verwaltung und dem
Gemeinderat der Stadt Kornwestheim klar sein, dass sie mit der Einrichtung der
Bildungswelt einen sog. „Dauer-Verlustbringer“ zugunsten der Belebung der
Innenstadt und der Aufwertung des Bildungs- und Familienstandorts Kornwestheim
in die künftige Politik eingliedert und diese Verluste auch ausgleichen muss.
Nachdem es sich hierbei um eine rein freiwillige Maßnahme handelt und nicht um
eine Pflichtaufgabe der Kommune, ist daher eine Abwägung der Interessen – auch
zukünftig - unumgänglich.
Wie bereits unter Tz. 2 dieser
Vorlage ausgeführt, ist die Stadt Kornwestheim derzeit in der Lage, die
finanziellen Aufwendungen für dieses Projekt zu tragen. Die sich ergebenden
Synergien – insbesondere durch die Unterbringung des Schülerhorts im
Wette-Center – sind in Vorlage Nr. 42/2012 auf- und ausgeführt worden.
Allerdings muss der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass eine
Betrachtung der finanziellen Entwicklung der Stadt Kornwestheim nicht auf den
gesamten vorgesehenen Zeitraum des Betriebs der Bildungswelt möglich ist. Dies
bedeutet, dass bei einer eventuellen Verschlechterung der wirtschaftlichen
Gegebenheiten bzw. der Haushaltssituation der Stadt Kornwestheim auch auf die
dann eintretende Entwicklung reagiert werden muss. Im sog. „worst-case“ müsste
– sollte sich der Verlust nicht durch die erwartete Besucherfrequenz deutlich
reduziert haben – im Falle einer Schließung der Bildungswelt ein jährliches
Defizit für die Mietzahlungen bis zum Auslaufen des Mietvertrags im Jahr 2022
in Höhe von rund 220.000.- Euro p.a. (netto) in Kauf genommen werden. Hierbei
sind allerdings keine Mieteinnahmen durch eine dann mögliche andere
Untervermietung gegengerechnet – der Betrag bezieht sich rein auf die
Mietaufwendungen im Wette-Center im angemieteten Bereich ohne Nebenkosten.
Der Vollständigkeit zu erwähnen ist
der Umstand, dass sich die Verwaltung derzeit sehr stark um Fördergelder für
die Bildungswelt bemüht und weiter bemühen wird. Bislang liegen der
Stadtverwaltung bereits Förderzusagen vor in Höhe von 220.000.- Euro.
Auch unter Berücksichtigung der rein
betriebswirtschaftlichen Argumente sieht die Verwaltung in der Einrichtung der
Bildungswelt eine große Chance den Standort Kornwestheim und die Innenstadt
durch die Förderung einer kommunalen Einrichtung im „Herzen der Stadt“ neben
den ohnehin derzeit laufenden baulichen Maßnahmen, die zur Aufwertung der
Innenstadt führen, weiter auszubauen und zu fördern. Dem Gemeinderat wird daher
empfohlen, wie vorgeschlagen zu beschließen.