Vorlage-Nr.:

425/2010

Az.:

4 Susanne Nemetz

Datum:

23.11.2010



Bürgermeisteramt

 

 

 

Sitzungsvorlage öffentlich

 

 

 

Gremium:

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Am:

02.12.2010

 

 

Betreff:

Bericht über Neuerungen im Waffenrecht

 

 

Anlage(n):

Mitzeichnung

 

 

Beschlussvorschlag:

Kenntnisnahme

 

Beratungsfolge:

 

Vorlage an

 

zur

 

Sitzungsart

 

Sitzungsdatum

 

Beschluss

 

 

 

 

 

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Beschlussfassung

öffentlich

02.12.2010

 

 

 

Beteiligung Personalrat

 Keine Beteiligung erforderlich

Finanzielle Auswirkungen

Entfällt

 

Deckungsvorschlag:

Entfällt

 


 

 

Sachdarstellung und Begründung:

 

Ausgangssituation:

Nach den schrecklichen Ereignissen im März 2009 in Winnenden und Wendlingen haben Bund und Länder beschlossen, im Rahmen von gesamtgesellschaftlich orientierten Präventionsansätzen waffenrechtliche Konsequenzen zu ziehen.

Aufgrund der Erfahrungen aus diesem Amoklauf wurden verschiedene Änderungen zum Waffengesetz im Rahmen des 4. Sprengstoffänderungsgesetzes beschlossen, die am 25.07.2009 in Kraft traten.

Davor gab es aus den Erfahrungen des Amoklaufs in Erfurt bereits 2003 und 2008 verschiedene neue gesetzliche Vorgaben.

 

1.  Gesetzliche Änderungen

 

Altersgrenze

Die Altersgrenze, ab der Jugendliche Waffen (grundsätzlich ab 18 Jahren) und insbesondere Großkaliberwaffen (ab 21 Jahren mit psychologischem Gutachten, ab 25 Jahren ohne Gutachten) erwerben und damit schießen dürfen, wurde bereits 2003 heraufgesetzt und die Voraussetzungen wurden allgemein verschärft. Abweichende Regelungen gibt es für das Schießen auf Schießständen.

 

Regelüberprüfung aller Waffenbesitzer

Der bisherige regelmäßige Überprüfungszeitraum wurde 2003 von 5 Jahren auf 3 Jahre verkürzt.

 

Bedürfniswiederholungsprüfung

Die Bedürfnisprüfung wurde 2003 neu geschaffen. Jeder Waffenbesitzer muss 3 Jahre nach Ersterteilung einer Waffenbesitzkarte den Nachweis führen, dass das Bedürfnis weiterhin besteht.

 

Anlassbezogene Bedürfnisüberprüfung

Eine anlassbezogene bzw. stichprobenweise Bedürfnisüberprüfung ist seit 2009 möglich bzw. vorgeschrieben.

 

Durchsetzung der Blockierpflicht für Erbwaffen

Die Blockierpflicht wurde bereits 2003 geplant, aufgrund technischer Möglichkeiten jedoch erst 2008 gesetzlich verankert. Ein Waffenerbe, welcher kein Bedürfnis geltend machen kann muss die Waffe blockieren lassen, sofern ein System für das Kaliber vorhanden ist. Die Überwachung dieser Möglichkeit liegt dabei bei der Waffenbehörde.

 

Verschärfte Nachweis- und Kontrollpflichten

Seit 2009 sind Waffenbesitzer verpflichtet, die sichere Aufbewahrung von Waffen

und Munition nachzuweisen und die Behörde haben die Möglichkeit und die Pflicht zur entsprechenden Kontrolle, auch anlass- und verdachtsunabhängig.

 

Amnestieregelung für illegalen Waffenbesitz bis Ende 2009

In Zusammenhang mit der Amnestieregelung wurden zahlreiche nicht registrierte Waffen abgegeben.

 

Schaffung eines Nationalen Waffenregisters

Die Umsetzung erfolgt bis spätestens 31.12.2012.

(weitere Informationen unter Nr. 4)

 

 

2.  Maßnahmen der Verwaltung

 

Infobrief

Als erste Maßnahme hat das Amt für öffentliche Ordnung - neben Hinweisen in der Presse - im Herbst 2009 sämtliche Waffenbesitzer persönlich angeschrieben und nochmals auf die Vorschriften zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung und auf die Gefahren bei nachlässigem oder leichtfertigem Umgang hingewiesen. In Kornwestheim hatte schon früher jeder Waffenbesitzer mit seiner Erlaubnis ein Merkblatt zu sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition erhalten.

 

Waffenrückgabe

Die Aktion „Infobrief“ war sehr erfolgreich, aber auch außerordentlich arbeitsintensiv. Die Zahl der abgegebenen Waffen und der Bedarf an Beratungsgesprächen überrollte das vorhandene Personal regelrecht.

Der Vergleich mit den Vorjahren zeigt die deutliche Steigerung:

 

Abgegebene Waffen:

2003 - 6/2009                 222    

                 

7/2009 - 11/2010           196    

 

Bis heute werden noch regelmäßig Waffen abgegeben (ca. 10 Waffen pro Monat).     

 

Sehr viele „Abgabewilligen“ waren z.B. wegen der fehlenden Möglichkeit, die Waffen zu transportieren, aus Respekt vor den Waffen (Erben), wegen Krankheit oder Alters nicht in der Lage, die Waffen zur Waffenbehörde zu bringen. Aus dem öffentlichen Interesse heraus, möglichst viele Waffenbesitzer zur Abgabe der Waffen zu bewegen, wurde (wird) in großzügigster Weise versucht, möglichst alle Abholwünsche zu erfüllen, was natürlich sehr zeitaufwändig war und ist.

Außerdem wurde bisher sowohl für die Abgabe der Waffen als auch für die Abholung der Waffen vor Ort keine Gebühr erhoben.

Bis heute ist der Bedarf an Aufklärungs- und Beratungsgesprächen hoch.

 

Waffenvernichtung

Beschlagnahmte oder abgegebene Waffen wurden bis zum Amoklauf von Winnenden entsprechend einer Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums von 1993 in Kornwestheim nicht an Dritte verkauft; es wurde auch kein Kontakt zwischen Interessenten und Veräußerern hergestellt.

 

Die beschlagnahmten und abgegebenen Waffen wurden und werden dem Kampfmittelbeseitigungsdienst zur Vernichtung übergeben, soweit die Waffen nicht wieder zurück an die Eigentümer gehen bzw. von diesen weiterveräußert werden.

Jede hier abgegebene Waffe wurde und wird registriert, so dass der Weg jeder einzelnen Waffe genau nachvollziehbar ist. Die (vorübergehende) Aufbewahrung der Waffen erfolgt bis zur Vernichtung oder Rückgabe an die Eigentümer in waffenrechtsgemäßen sicheren Waffenschränken bzw. Tresoren.

 

Schwerpunktaktion

Im Oktober 2009 fand eine landesweite Schwerpunktaktion der Waffenbehörden statt, bei der stichprobenweise unangemeldete Vor-Ort-Kontrollen vorgenommen wurden. Auch die Waffenbehörde der Stadt Kornwestheim hat an dieser Aktion erfolgreich teilgenommen. Das Ergebnis der landesweiten Aktion war besorgniserregend. Bei den landesweit 1.073 Kontrollen im häuslichen Bereich der Waffenbesitzer mussten 576 Beanstandungen ausgesprochen werden. Entweder hatten die Waffenbesitzer ihre Waffen nicht in einem

Waffenschrank untergebracht oder der Waffenschrank entsprach nicht den gesetzlichen Vorschriften. Landesweit gab es 27% der Beanstandungen bei Jägern, und 33% bei Schützen, wobei es sich hier um sog. verdachtsabhängige Kontrollen handelte, weil diese Waffenbesitzer auf konkrete vorherige Anschreiben der Waffenbehörde keine hinreichenden oder überhaupt keine Angaben über die Aufbewahrung gemacht haben.

 

In Kornwestheim wurden die Kontrollen im Rahmen der landesweiten Aktion mit zwei Mitarbeitern durchgeführt. Da gemäß den Anweisungen des Regierungspräsidiums die Kontrollen bei Jägern und Sportschützen nur anlassbezogen durchgeführt werden sollten, wurden schwerpunktmäßig die Besitzer von Erbwaffen kontrolliert, hier vor allem die Unterbringung aber auch der Zustand der Waffen (Blockierpflicht). Die Waffenbehörden sollten hier vor allem beratend und informierend tätig werden.

 

Es war festzustellen, dass der Zeitaufwand teilweise erheblich war, da Adressen oft mehrmals angefahren mussten, bis jemand bzw. der Inhaber der Waffe, angetroffen werden konnte.

 

Das Kornwestheimer Ergebnis der Schwerpunktaktion:

 

17 Kontrollen, davon

in 5 Fällen keine Beanstandung

in 7 Fällen z.T. erhebliche Mängel (bzgl. Aufbewahrung, keine Blockierung)
in 4 Fällen konnte der Waffenbesitzer nicht angetroffen werden

in 1 Fall war eine völlig unbrauchbare Waffe unnötigerweise angemeldet gewesen.

 

Den Altwaffen-Besitzern und den Besitzern von Erbwaffen waren die Vorschriften des Waffengesetzes meist gänzlich unbekannt bzw. es fehlte an der notwendigen Einsicht in die gesetzlichen Vorgaben.

Positiv zu vermerken war, dass den Kontrollpersonen immer Einlass gewährt wurde. Allerdings mussten die Waffenbesitzer während dieser Kontrollwoche auch nicht mit Bußgeldern oder gar dem Einzug der Waffe rechnen.

 

 

 

 

Fallzahlen / Statistik

           

Waffenbesitzer         Kurzwaffen     Langwaffen    Gesamtzahl der Waffen

           

03/2009               586                             -                      -                      2.224

 

2010                     544                      814                 1133                     1947

                                                          

Seit dem Amoklauf in Winnenden hat sich in Kornwestheim die Zahl der Waffenbesitzer also um knapp 10%, die Zahl der Waffen um 12,5% verringert.

 

3.  Weitere Maßnahmen

 

Personal

Die für das Stadtgebiet Kornwestheim zuständige Waffenbehörde ist beim Amt für öffentliche Ordnung im Sachgebiet allgemeine Ordnungsangelegenheiten/ Gewerbe/ Gaststätten/ Waffen/ Straßenverkehr angesiedelt.

Für den Bereich Waffen- und Sprengstoffrecht ist lediglich eine anteilige Sachbearbeiterstelle zu 20% und eine anteilige Mitarbeiterstelle von 20% vorhanden. Zur Unterstützung für die Kontrollen einschl. der Vor- und Nacharbeiten wird ein Mitarbeiter des gemeindlichen Vollzugsdienstes, der bereits Erfahrung im Waffenrecht hat, mit eingesetzt. Seine Kenntnisse waren bei der Personalauswahl entscheidend für die Neueinstellung bei der Stadt.

Die Mitarbeiter nehmen regelmäßig an den angebotenen Schulungen teil.

 

Zweite Briefaktion

Seit Anfang 2010 wird in einem "zweiten Durchgang" ein weiterer Brief an die Waffenbesitzer versandt, in dem sie aufgefordert werden, die ordnungsgemäße Verwahrung ihrer Waffen hier nachzuweisen. Gleichzeitig wird nochmals darauf hingewiesen, dass für Erbwaffen eine Blockierpflicht besteht.

Wie oben geschildert, wurde die Waffenbehörde bei der ersten Briefaktion regelrecht "überrannt": Bei den täglich zahlreichen Anrufen und persönlichen Anfragen, war an die Erledigung des (nicht nur waffenrechtlichen) Tagesgeschäfts oft kaum zu denken.

Die zweite Briefaktion bringt erwartungsgemäß einen weit größeren Aufwand mit sich, da dabei eine Antwort von den Waffenbesitzern erwartet wird und die eingehenden Antworten geprüft und kontrolliert werden müssen. Tatsächlich sind die Unsicherheit und der Beratungsbedarf weitaus höher, als nach der bereits erfolgten ersten Aktion zu erwarten war. Dies wird auch von anderen Kommunen, die diese Aktion ebenfalls bereits durchgeführt haben, bestätigt.

Aufgrund der knappen personellen Ausstattung und aufgrund des Wechsels der zuständigen Sachbearbeiterin/ Sachgebietsleiterin konnte bisher erst an ca. 50% der Waffenbesitzer ein zweites Aufforderungsschreiben verschickt werden.

 

Kontrollen

Den Waffenbehörden wurden vom Innenministerium keine Vorgaben für eine bestimmte Kontrolldichte für die vom neuen Waffenrecht vorgesehenen verdachtsunabhängigen Vor-Ort- Kontrollen zur Aufbewahrung der Waffen gemacht. Über die Durchführung soll in eigener Verantwortung entschieden werden. Die örtliche Kontrolle wird aber tatsächlich nicht nur als Möglichkeit, sondern als Verpflichtung gesehen.

Die Kontrollen sollten nach der Vorstellung des Innenministeriums sehr zeitnah, insbesondere aber in den Fällen erfolgen, in denen der  Nachweis einer sicheren Aufbewahrung trotz Aufforderung der Waffenbehörde nicht oder nicht in ausreichendem Umfang erbracht wird. Im Hinblick auf Prävention sind vor allem unangekündigte Kontrollen sinnvoll.

Die Kontrollen werden von zwei Personen (Sachbearbeiter und Vollzugsbediensteter) vorgenommen. Aus Beweis- und Sicherheitsgründen werden die Kontrollen nach dem 4-Augen-Prinzip mit zwei Personen vor Ort durchgeführt.

Die Prüfintervalle sind von der Waffenbehörde festzulegen. Dabei ist realistischerweise aber der Personalbestand bzw. der Personalbedarf zu berücksichtigen. Die Stadtverwaltung Kornwestheim hat sich - analog dem gesetzlich vorgeschriebenen Intervall für die Zuverlässigkeitsprüfung -  grundsätzlich für einen Prüfturnus von 3 Jahren entschieden. Neben den verdachtsunabhängigen Kontrollen müssen auch alle Erbfälle überprüft werden.

Mit dem vorhandenen Personal werden diese Prüfungen im 3-Jahres-Intervall allerdings kaum zu schaffen sein.

 

Kostenersatz

Die Stadt und die übergeordneten Behörden gehen davon aus, dass eine Refinanzierung des Mehraufwands über Gebühren möglich ist – auch für verdachtsunabhängige Kontrollen in den Räumlichkeiten der Waffenbesitzer, unabhängig von etwaigen Beanstandungen. Die Gebühr ist nach dem neuen Gebührenrecht von den entstehenden Kosten abhängig.

Ein entsprechender Tatbestand wird im kommenden Jahr in die städtische Gebührensatzung aufgenommen.

 

 

4.   Einführung eines Nationalen Waffenregisters

 

Durch Änderung der EU-Waffenrechtsrichtlinie 2008/51/EG vom 21. Mai 2008 sind die Mitgliedstaaten bereits verpflichtet, bis spätestens 31.12.2014 ein computergestütztes Waffenregister einzuführen, aus dem sich insbesondere Typ, Modell, Fabrikat, Kaliber und Seriennummer der jeweiligen Waffe und Name/ Anschrift des Verkäufers (Überlassers) und Name/ Anschrift des Waffenbesitzers ergeben. Es muss allen zuständigen Behörden den Zugang zu den gespeicherten Daten eröffnen. Es kann zentral oder dezentral organisiert sein.

Die Umsetzung im Bundesgebiet erfolgt bis spätestens 31.12.2012 (vgl. § 43a Waffengesetz).

Federführend für die Umsetzung dieses Projektes sind der Bund und das Land Baden-Württemberg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Probleme bei der Umsetzung (bundes- und landesweit, auch in Kornwestheim)

Nicht einheitliche Qualität der Daten

In den ersten Melde- und Erfassungsjahren des Waffengesetzes von 1973 bis 1976 wurden Waffenbesitzkarten in „Massenverfahren“ ausgestellt. Als Meldedaten wurden ohne Kontrolle die Daten übernommen, die die damaligen Waffenbesitzer selbst angemeldet haben. Ob die Waffenart, das Kaliber, die Herstellungsnummer oder Bezeichnung der Waffe stimmen, wurde nicht kontrolliert. Vielfach wurden Daten als nicht vorhanden oder nicht bekannt akzeptiert – und erfasst.

 

Derzeit gibt es zahlreiche Waffenbesitzkarten, in denen ohne Prüfung z.B. die Bezeichnung "Pistole" ersetzt wurde durch die Bezeichnung "Revolver" oder umgekehrt, in denen weder der Hersteller, noch eine Waffennummer vermerkt ist oder in denen das Kaliber nicht eingetragen wurde. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Daten in vielen Fällen einfach korrekt von den Waffen selbst abgelesen werden könnten oder die Spezialisten der Polizei, z.B. des Kampfmittelbeseitigungsdienstes, durch ihr Wissen eine entsprechende Identifizierung vornehmen können. 

 

Fehlende Standards bei der Erfassung der einzelnen Waffen

Beispiel: Es gibt tausende Waffen, die als KK-Gewehre (Kleinkaliber) erfasst wurden. Tatsächlich kann es sich dabei handeln um:

1.                  Kategorie C –3.2 = lange Einzellader-Schusswaffen mit gezogenem
Lauf –Einzelladerbüchsen

2.                  Kategorie C –3.1 = lange sonstige Repetier-Schusswaffen –Repetierbüchsen

3.                  Kategorie B –2.4 = halbautomatische Langschusswaffen
mit Magazinkapazität über drei Schuss –Selbstladebüchsen.

Gleiches gilt für verschiedene Kaliber und Munitionsnamen.

 

 

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Thema "Waffen" sehr viel mehr im Interesse der Öffentlichkeit und der Behörden steht als früher. Der höhere Kontroll- und Beratungsaufwand ist personal- und kostenintensiv, aber aus Sicherheitsgründen dringend notwendig.

 

 

 


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)
Keine Anlagen