Vorlage-Nr.:

14/2013

Az.:

3 Natascha Richter
3 Irmgard Sedler

Datum:

16.01.2013



Bürgermeisteramt

 

 

 

Sitzungsvorlage

 

 

 

Gremium:

Verwaltungs- und Finanzausschuss

Am:

24.01.2013

 

 

Betreff:

Dokumentation der Stadtgeschichte von Kornwestheim, 2. Zeitabschnitt 1930 – 1949

 

 

Anlage(n):

Mitzeichnung

Anfrage der Verwaltung v. 10.10.2012

 

Beschlussvorschlag:

Der Vergabe des 2. Zeitabschnitts eines Forschungsauftrags über die Kornwestheimer Stadtgeschichte in den Jahren 1930 – 1949, wie in der Vorlage 211/2012 dargelegt, zuzustimmen.

 

Beratungsfolge:

 

Vorlage an

 

zur

 

Sitzungsart

 

Sitzungsdatum

 

Beschluss

 

 

 

 

 

Verwaltungs- und Finanzausschuss

 

öffentlich

24.01.2013

 

 

 

Beteiligung Personalrat

 

Finanzielle Auswirkungen

HHJ

Finanzposition

Betrag

Plan

Auswirkungen

Erläuterungen

 

 

 

 

 

 

bis 2015

25.20 - 1.3212.5880

100.000,00

 

 

2013: 20.000 EUR
2014: 40.000 EUR
2015: 40.000 EUR

 

 

 

Deckungsvorschlag:

Entfällt

 


Sachdarstellung und Begründung:

 

Ausgangslage

 

Aufgrund eines entsprechenden Antrags der SPD vom November 2011 zum Haushalt 2012 (GR-Vorlage 442/2011) wurde im VFA zum Thema „Forschungsauftrag Stadtgeschichte für die Jahre 1930 – 1949“ am 5. Juli 2012 (Vorlage 211/2012) und am 29. November 2012 (Vorlage 378/2012) über die Vergabe dieses Forschungsauftrags beraten.

In der Sitzung des VFA am 05.07.2012 wurde die Verwaltung beauftragt, vor der Vergabe eines Forschungsauftrags die Durchführung einer wissenschaftlichen Arbeit über die Kornwestheimer Stadtgeschichte für die Jahre 1930-1949 sowie deren Kostenumfang bei Historischen Instituten anzufragen.

Dies wurde, wie in der VFA-Vorlage 378/2012 erläutert, von der Verwaltung durchgeführt.

In der VFA-Sitzung am 29.11.2012 wurde daraufhin von der CDU-Fraktion gefordert, das Anschreiben mit Anlage, das an die Universitäten versandt wurde, dem VFA zur Kenntnis zu geben. Außerdem wurde gewünscht, zu präzisieren, welche Inhalte des o. g. Forschungsauftrags hinsichtlich einer im öffentlichen Interesse ausgerichteten Präsentation zu Kornwestheim und Salamander in der Zeit von 1930 bis 1949 relevant seien. Diese Fragen werden im Folgenden beantwortet.

 

 

1. Die Stadt Kornwestheim und ihre Stadtgeschichte

 

Die Stadt Kornwestheim hat im Jahr 2012 eine sehr erfolgreiche Ausstellung zur zeitgeschichtlichen Dokumentation der Stadtgeschichte von Kornwestheim zur Zeit Jakob Sigles präsentiert. In der Ausstellung zum 150. Geburtstag von Jakob Sigle wurden Aspekte des Lebens zur Zeit Jakob Sigles dokumentiert. Die Entwicklung der Landwirtschaft, die Eisenbahngeschichte, die zunehmende Mobilität, das Handwerk oder die Entwicklung der Stadt brachten den Gästen den Wandel der Stadtgeschichte von Kornwestheim nahe.

Mit dieser Dokumentation der Lebenswelt in den Kornwestheimer Familien, des Wandels der Industrie oder des Beginns der Arbeiterbewegung wurde das gesellschaftliche Leben in Kornwestheim beleuchtet.

Mit dieser Dokumentation der Stadtgeschichte endet die Aufarbeitung der örtlichen Geschichte, zur Bündelung kommunaler Aktivitäten, sozialer Veränderungen oder zeitgeschichtlicher Präsentationen.

Ab diesem Zeitpunkt gibt es in Kornwestheim keine wesentliche stadtgeschichtliche Aufarbeitung mehr. Einzelne Aspekte wurden zum Beispiel bei Vereinsjubiläen, dem Jubiläum zum Bau des Rathauses oder bei Firmenjubiläen recherchiert. Dabei stellte es sich immer als erheblicher Mangel heraus, dass für die letzten Jahrzehnte keine Stadtchronik vorliegt und so zum Beispiel die Akten, Fundstellen und persönlichen Dokumente nicht in den Zusammenhang der stadtgeschichtlichen Entwicklungen gestellt werden konnten.

Mit der Erforschung des 2. Zeitabschnitts soll diese erfolgreiche Arbeit bis 1935 weitergeführt, ergänzt und in den kommenden Jahren bis zur Gegenwart fortgeführt werden.

Die von der Verwaltung vorgeschlagene Dokumentation zur Stadtgeschichte soll diese Lücke schließen und den Wandel der Stadt Kornwestheim bis heute darstellen.

 

 

2. Der Aspekt „Salamander“

 

Als Hintergrundinformationen zur Einordnung und Beurteilung der in Kornwestheim stattgefundenen Ereignisse werden für das Thema „Stadt und Salamander“ die Inhalte des Forschungsauftrags mit seinen Bezügen in den Alltag des Kornwestheimer Lebens benötigt.

Im konkreten Zusammenhang zu Salamander müssten speziell diejenigen Themen der Stadtgeschichte gezielt ausgebaut werden, die in enger Verbindung mit der Firmengeschichte stehen, zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die Veränderung des Alltags- und Arbeitslebens während des Krieges, zum Beispiel besonders für Frauen, sowie Zwangsarbeit, kriegswichtige Produktionsprozesse inklusive deren jeweilige Voraussetzungen und Konsequenzen.

3. Aktueller Stand stadtgeschichtlicher Recherchen

 

Die Geschichte der Großen Kreisstadt Kornwestheim ist im Wesentlichen nur bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Seitdem Lehrer Lober im Jahr 1931 der Stadt die von ihm verfasste, 1930 endende Stadtchronik übergeben hat, gibt es nur punktuelle „Spotlights“ auf die Stadtgeschichte. Das stadtgeschichtliche Werk von W. A. Boelcke behandelt nur einzelne Gesichtspunkte. Das heißt, es fehlt eine umfassende Aufarbeitung unserer Geschichte, auch für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Es empfiehlt sich, mit der weiteren Aufarbeitung der Stadtgeschichte von Kornwestheim in der Weimarer Republik um 1930 bzw. etwas früher anzusetzen. Es ist angedacht, für diese Zeit von den 1920er Jahren bis in die ersten Jahre der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg eine sachliche, keineswegs tendenziöse Aufarbeitung der Kornwestheimer Verhältnisse in dieser Zeit zu leisten.

 

 

4. Geplanter 3. Zeitabschnitt 1949 bis heute

 

Eine solche Weiterführung der Stadtgeschichtsforschung – die nicht 1949 enden kann, sondern auch für die Folgezeit in Zukunft weiterbetrieben muss – ist aus mehreren Gründen unabdingbar.

 

 

5. Wer hat heute ein Interesse an diesem Wissen?

 

Die Kenntnis von Geschichte, speziell der eigenen, wirkt grundsätzlich identitätsstiftend und trägt zur Bindung an das gesellschaftliche Umfeld bei.

Es besteht z. B. großes Interesse von Geschichtslehrern und -lehrerinnen daran, den schulischen Unterrichtsstoff auch an lokalen Ereignissen festmachen und so das Verständnis für den Stoff vertiefen zu können. Ebenso können Firmen, Vereine, Kirchen oder Familien Möglichkeiten zur Dokumentation ihrer jeweiligen Entwicklung bekommen. Dafür fehlen momentan alle Grundlagen. Auch weitergehende bzw. themenvertiefende Projekte, zum Beispiel in Arbeitsgruppen oder Vereinen, Vorträge zum Thema oder stadtgeschichtliche Ausstellungen zu Ereignissen, Jubiläen oder beispielsweise der Geschichte einzelner Straßenzüge, wie vor einigen Jahren zur Bahnhofsstraße, können in das kulturelle Leben der Stadt integriert werden. Neben den Schulen besteht für alle ortshistorisch Interessierten und Arbeitenden, für Studierende der Geschichte oder Architektur und andere die Möglichkeit, auf den Erkenntnissen aufbauende Forschungen zu betreiben.

Außerdem müssten überdies vor der Errichtung einer Gedenkstätte, wie sie im November 2011 im Rahmen der Haushaltsplanungen von Der Linken beantragt wurde, zunächst die konkreten Umstände in Kornwestheim ermittelt werden.

 

 

6. Was soll für diese Dokumentation erforscht werden?

 

Es geht darum, die Ereignisse, Zusammenhänge und gesellschaftlichen Verhältnisse ab der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit zu beleuchten:

Was erlebten z. B. die in den Krieg gezogenen Kornwestheimer Männer? Wie kamen die Familien währenddessen hier „an der Heimatfront“ zurecht? Wie lief die Versorgung der Bevölkerung ab? Wie waren die wirtschaftlichen Verhältnisse? Wie entwickelte sich die Infrastruktur?

Im Hinblick auf die zahlreichen Kornwestheimer Vereine stellt sich die Frage, was mit den Vereinen passierte; z. B. welche gründeten sich, nachdem sie im Dritten Reich verboten worden waren, nach 1945 neu? Dies sind Fragen, die sich besonders anlässlich von Vereinsjubiläen bzw. für Vereinschroniken regelmäßig stellen und bisher nicht beantwortet werden können.

Welche Kriegsschäden gab es? Wie schaffte die Kornwestheimer Bevölkerung nach dem Krieg gemeinsam den Wiederaufbau? Wie veränderte sich das Stadtbild?

Wie verhielt sich z. B. die Stadtverwaltung während der ganzen Jahre? Gab es Widerstand? Wie erging es den Fremd- und Zwangsarbeitern im Verhältnis zu anderen Kommunen?

Von archivischer Seite muss zu den Forschungen angemerkt werden, dass Archivalien, die personenbezogene Daten enthalten, speziellen Schutzfristen unterliegen. Das heißt, diese Akten sind je nach Art bis zu 10 Jahren oder 30 Jahren nach Tod der betroffenen Personen gesperrt.

 

 

7. Beteiligungsmöglichkeiten

 

a) Schulgruppen und Jugendliche

Die Aufarbeitung der Stadtgeschichte kann durch schulische oder offene Arbeitsgruppen begleitet werden. Eine Schulklasse im Landkreis Ludwigsburg hat es sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt, alle Biographien der Opfer, die auf dem örtlichen Kriegsmahnmal genannt sind, zu recherchieren. Mit den örtlichen Dokumenten aus den Archiven und Informationen von Familien gewinnen so die Schüler Einsicht in das Leben dieser Menschen.

Eine Beteiligung an der Feier zum Volkstrauertag wäre ebenso denkbar und würde den Wunsch aufnehmen, auch junge Menschen an das Bedürfnis zum Friedenserhalt heranzuführen.

Aktuelle Besucherzahlen in den Gedenkstätten des Nationalsozialismus zeigen, dass die heutige Jugend ein großes Interesse an diesem Thema hat und sich diesen Fragen wertfrei nähert. Die jüngeren Besucher interessieren sich für die Geschichte der Bundesrepublik und brechen ihre Erkenntnisse auf örtliche Fragestellungen herunter.

 

b) Vereine und Projektgruppen

Durch die Dokumentation vieler stadtgeschichtlicher Aspekte werden wichtige Fragen zusammengetragen. Durch sie könnten die individuellen Recherchen unterstützt werden und deren Ergebnisse in die jeweilige Kulturarbeit eingebunden werden.

 

c) Seniorengruppen

Seniorenwohnheime, Seniorenbetreuer und Familienangehörige bemerken heute ein Bedürfnis vieler Senioren, ihre Erlebnisse zu erzählen und zu verarbeiten. In fortgeschrittenen Alter zeigen diese Menschen ihre psychischen Verletzungen durch lange Verdrängungsmechanismen. Diesem Bedürfnis könnte die Stadt begegnen, ihre Erfahrungen mit Fachkraft dokumentieren und den Menschen damit einen Zugang zu einem Teil ihrer eigenen Lebensbiografie geben.

Mit den Altersheimen und Ansprechpartnern könnten diese Erfahrungen der Zeitgeschichte dokumentiert werden.

Diesen Weg beschreiten heute auch Medien, indem sie Menschen nach ihren Erinnerungen zu prägenden Erlebnissen befragen.

Es wurden auch schon Gespräche mit Senioren geführt, die gerne über ihre Kindheit und Jugend an Schulen berichten und damit den jungen Menschen einen Einblick in die Vergangenheit der Senioren geben würden.

Damit könnte gezeigt werden, dass der heutige Lebensstandard nicht selbstverständlich ist, sondern die heutigen Lebensverhältnisse weit von denen abweichen, die nur wenige Jahrzehnte zurückliegen.

 

 

Fazit

 

Es gibt unzählige ungeklärte Fragen, deren Beantwortung und kontextuelle Einordnung ein/e Zeithistoriker/in, möglichst mit einschlägiger Kenntnis der württembergischen Landesgeschichte, erarbeiten sollte.

Vor o. g. genannten Hintergrund schlägt die Verwaltung vor, den Forschungsauftrag wie am 5. Juli 2012 vorgeschlagen als Werkvertrag an eine/n Wissenschaftler/in zu vergeben..

 

 

 


Anlagen:

Nicht alle Anlagen sind öffentlich. (Internet)
Anlage_zu_VFA_14-2013.pdfAnlage_zu_VFA_14-2013.pdf