Betreff:
Dokumentation
der Stadtgeschichte von Kornwestheim, 2. Zeitabschnitt 1930 – 1949
Anlage(n):
Mitzeichnung
Anfrage der Verwaltung v. 10.10.2012
Beschlussvorschlag:
Der Vergabe des 2. Zeitabschnitts eines Forschungsauftrags
über die Kornwestheimer Stadtgeschichte in den Jahren 1930 – 1949, wie in der
Vorlage 211/2012 dargelegt, zuzustimmen.
Beratungsfolge:
Vorlage an
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zur
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Sitzungsart
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Sitzungsdatum
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Beschluss
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Verwaltungs-
und Finanzausschuss
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öffentlich
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24.01.2013
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Beteiligung Personalrat
Finanzielle Auswirkungen
HHJ
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Finanzposition
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Betrag
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Plan
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Auswirkungen
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Erläuterungen
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bis 2015
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25.20 - 1.3212.5880
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100.000,00
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2013: 20.000 EUR
2014: 40.000 EUR
2015: 40.000 EUR
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Deckungsvorschlag:
Entfällt
Sachdarstellung und
Begründung:
Ausgangslage
Aufgrund eines
entsprechenden Antrags der SPD vom November 2011 zum Haushalt 2012 (GR-Vorlage
442/2011) wurde im VFA zum Thema „Forschungsauftrag Stadtgeschichte für die
Jahre 1930 – 1949“ am 5. Juli 2012 (Vorlage 211/2012) und am 29. November 2012
(Vorlage 378/2012) über die Vergabe dieses Forschungsauftrags beraten.
In der Sitzung des VFA am 05.07.2012 wurde die Verwaltung
beauftragt, vor der Vergabe eines Forschungsauftrags die Durchführung einer
wissenschaftlichen Arbeit über die Kornwestheimer Stadtgeschichte für die Jahre
1930-1949 sowie deren Kostenumfang bei Historischen Instituten anzufragen.
Dies wurde, wie in der VFA-Vorlage 378/2012 erläutert, von
der Verwaltung durchgeführt.
In der VFA-Sitzung am 29.11.2012 wurde daraufhin von der
CDU-Fraktion gefordert, das Anschreiben mit Anlage, das an die Universitäten
versandt wurde, dem VFA zur Kenntnis zu geben. Außerdem wurde gewünscht, zu
präzisieren, welche Inhalte des o. g. Forschungsauftrags hinsichtlich einer im
öffentlichen Interesse ausgerichteten Präsentation zu Kornwestheim und
Salamander in der Zeit von 1930 bis 1949 relevant seien. Diese Fragen werden im
Folgenden beantwortet.
1. Die Stadt
Kornwestheim und ihre Stadtgeschichte
Die Stadt Kornwestheim
hat im Jahr 2012 eine sehr erfolgreiche Ausstellung zur zeitgeschichtlichen
Dokumentation der Stadtgeschichte von Kornwestheim zur Zeit Jakob Sigles
präsentiert. In der Ausstellung zum 150. Geburtstag von Jakob Sigle wurden
Aspekte des Lebens zur Zeit Jakob Sigles dokumentiert. Die Entwicklung der
Landwirtschaft, die Eisenbahngeschichte, die zunehmende Mobilität, das Handwerk
oder die Entwicklung der Stadt brachten den Gästen den Wandel der
Stadtgeschichte von Kornwestheim nahe.
Mit dieser Dokumentation
der Lebenswelt in den Kornwestheimer Familien, des Wandels der Industrie oder
des Beginns der Arbeiterbewegung wurde das gesellschaftliche Leben in
Kornwestheim beleuchtet.
Mit dieser Dokumentation
der Stadtgeschichte endet die Aufarbeitung der örtlichen Geschichte, zur
Bündelung kommunaler Aktivitäten, sozialer Veränderungen oder
zeitgeschichtlicher Präsentationen.
Ab diesem Zeitpunkt gibt
es in Kornwestheim keine wesentliche stadtgeschichtliche Aufarbeitung mehr.
Einzelne Aspekte wurden zum Beispiel bei Vereinsjubiläen, dem Jubiläum zum Bau
des Rathauses oder bei Firmenjubiläen recherchiert. Dabei stellte es sich immer
als erheblicher Mangel heraus, dass für die letzten Jahrzehnte keine
Stadtchronik vorliegt und so zum Beispiel die Akten, Fundstellen und
persönlichen Dokumente nicht in den Zusammenhang der stadtgeschichtlichen
Entwicklungen gestellt werden konnten.
Mit der Erforschung des
2. Zeitabschnitts soll diese erfolgreiche Arbeit bis 1935 weitergeführt,
ergänzt und in den kommenden Jahren bis zur Gegenwart fortgeführt werden.
Die von der Verwaltung
vorgeschlagene Dokumentation zur Stadtgeschichte soll diese Lücke schließen und
den Wandel der Stadt Kornwestheim bis heute darstellen.
2. Der Aspekt
„Salamander“
Als
Hintergrundinformationen zur Einordnung und Beurteilung der in Kornwestheim
stattgefundenen Ereignisse werden für das Thema „Stadt und Salamander“ die
Inhalte des Forschungsauftrags mit seinen Bezügen in den Alltag des
Kornwestheimer Lebens benötigt.
Im konkreten
Zusammenhang zu Salamander müssten speziell diejenigen Themen der
Stadtgeschichte gezielt ausgebaut werden, die in enger Verbindung mit der Firmengeschichte
stehen, zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, die Veränderung
des Alltags- und Arbeitslebens während des Krieges, zum Beispiel besonders für
Frauen, sowie Zwangsarbeit, kriegswichtige Produktionsprozesse inklusive deren
jeweilige Voraussetzungen und Konsequenzen.
3. Aktueller Stand
stadtgeschichtlicher Recherchen
Die Geschichte der
Großen Kreisstadt Kornwestheim ist im Wesentlichen nur bis ins erste Drittel
des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Seitdem Lehrer Lober im Jahr 1931 der Stadt
die von ihm verfasste, 1930 endende Stadtchronik übergeben hat, gibt es nur
punktuelle „Spotlights“ auf die Stadtgeschichte. Das stadtgeschichtliche Werk
von W. A. Boelcke behandelt nur einzelne Gesichtspunkte. Das heißt, es fehlt
eine umfassende Aufarbeitung unserer Geschichte, auch für die Zeit nach dem
Zweiten Weltkrieg. Es empfiehlt sich, mit der weiteren Aufarbeitung der
Stadtgeschichte von Kornwestheim in der Weimarer Republik um 1930 bzw. etwas
früher anzusetzen. Es ist angedacht, für diese Zeit von den 1920er Jahren bis
in die ersten Jahre der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg eine
sachliche, keineswegs tendenziöse Aufarbeitung der Kornwestheimer Verhältnisse
in dieser Zeit zu leisten.
4. Geplanter 3.
Zeitabschnitt 1949 bis heute
Eine solche
Weiterführung der Stadtgeschichtsforschung – die nicht 1949 enden kann, sondern
auch für die Folgezeit in Zukunft weiterbetrieben muss – ist aus mehreren
Gründen unabdingbar.
5. Wer hat heute ein
Interesse an diesem Wissen?
Die Kenntnis von
Geschichte, speziell der eigenen, wirkt grundsätzlich identitätsstiftend und
trägt zur Bindung an das gesellschaftliche Umfeld bei.
Es besteht z. B. großes
Interesse von Geschichtslehrern und -lehrerinnen daran, den schulischen
Unterrichtsstoff auch an lokalen Ereignissen festmachen und so das Verständnis
für den Stoff vertiefen zu können. Ebenso können Firmen, Vereine, Kirchen oder
Familien Möglichkeiten zur Dokumentation ihrer jeweiligen
Entwicklung bekommen. Dafür fehlen momentan alle
Grundlagen. Auch weitergehende bzw.
themenvertiefende Projekte, zum Beispiel in Arbeitsgruppen oder Vereinen,
Vorträge zum Thema oder stadtgeschichtliche Ausstellungen zu Ereignissen,
Jubiläen oder beispielsweise der Geschichte einzelner Straßenzüge, wie vor
einigen Jahren zur Bahnhofsstraße, können in das kulturelle Leben der Stadt
integriert werden. Neben den Schulen besteht für alle
ortshistorisch Interessierten und Arbeitenden, für Studierende der Geschichte
oder Architektur und andere die Möglichkeit, auf den Erkenntnissen aufbauende
Forschungen zu betreiben.
Außerdem müssten
überdies vor der Errichtung einer Gedenkstätte, wie sie im November 2011 im
Rahmen der Haushaltsplanungen von Der Linken beantragt wurde, zunächst die
konkreten Umstände in Kornwestheim ermittelt werden.
6. Was soll für diese
Dokumentation erforscht werden?
Es geht darum, die
Ereignisse, Zusammenhänge und gesellschaftlichen Verhältnisse ab der Weimarer
Republik bis in die Nachkriegszeit zu beleuchten:
Was erlebten z. B. die
in den Krieg gezogenen Kornwestheimer Männer? Wie kamen die Familien
währenddessen hier „an der Heimatfront“ zurecht? Wie lief die Versorgung der
Bevölkerung ab? Wie waren die wirtschaftlichen Verhältnisse? Wie entwickelte
sich die Infrastruktur?
Im Hinblick auf die zahlreichen
Kornwestheimer Vereine stellt sich die Frage, was mit den Vereinen passierte;
z. B. welche gründeten sich, nachdem sie im Dritten Reich verboten worden
waren, nach 1945 neu? Dies sind Fragen, die sich besonders
anlässlich von Vereinsjubiläen bzw. für Vereinschroniken regelmäßig stellen und
bisher nicht beantwortet werden können.
Welche Kriegsschäden gab
es? Wie schaffte die Kornwestheimer Bevölkerung nach dem Krieg gemeinsam den
Wiederaufbau? Wie veränderte sich das Stadtbild?
Wie verhielt sich z. B.
die Stadtverwaltung während der ganzen Jahre? Gab es Widerstand? Wie erging es
den Fremd- und Zwangsarbeitern im Verhältnis zu anderen Kommunen?
Von archivischer Seite
muss zu den Forschungen angemerkt werden, dass Archivalien, die
personenbezogene Daten enthalten, speziellen Schutzfristen unterliegen. Das
heißt, diese Akten sind je nach Art bis zu 10 Jahren oder 30 Jahren nach Tod
der betroffenen Personen gesperrt.
7.
Beteiligungsmöglichkeiten
a) Schulgruppen und Jugendliche
Die Aufarbeitung der Stadtgeschichte kann durch schulische oder offene
Arbeitsgruppen begleitet werden. Eine Schulklasse im Landkreis Ludwigsburg hat
es sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt, alle Biographien der Opfer, die auf dem
örtlichen Kriegsmahnmal genannt sind, zu recherchieren. Mit den örtlichen
Dokumenten aus den Archiven und Informationen von Familien gewinnen so die
Schüler Einsicht in das Leben dieser Menschen.
Eine Beteiligung an der Feier zum Volkstrauertag wäre ebenso denkbar und
würde den Wunsch aufnehmen, auch junge Menschen an das Bedürfnis zum
Friedenserhalt heranzuführen.
Aktuelle Besucherzahlen in den Gedenkstätten des Nationalsozialismus
zeigen, dass die heutige Jugend ein großes Interesse an diesem Thema hat und
sich diesen Fragen wertfrei nähert. Die jüngeren Besucher interessieren sich
für die Geschichte der Bundesrepublik und brechen ihre Erkenntnisse auf
örtliche Fragestellungen herunter.
b) Vereine und Projektgruppen
Durch die Dokumentation vieler stadtgeschichtlicher Aspekte werden
wichtige Fragen zusammengetragen. Durch sie könnten die individuellen
Recherchen unterstützt werden und deren Ergebnisse in die jeweilige Kulturarbeit
eingebunden werden.
c) Seniorengruppen
Seniorenwohnheime, Seniorenbetreuer und Familienangehörige bemerken heute
ein Bedürfnis vieler Senioren, ihre Erlebnisse zu erzählen und zu verarbeiten.
In fortgeschrittenen Alter zeigen diese Menschen ihre psychischen Verletzungen
durch lange Verdrängungsmechanismen. Diesem Bedürfnis könnte die Stadt
begegnen, ihre Erfahrungen mit Fachkraft dokumentieren und den Menschen damit
einen Zugang zu einem Teil ihrer eigenen Lebensbiografie geben.
Mit den Altersheimen und Ansprechpartnern könnten diese Erfahrungen der
Zeitgeschichte dokumentiert werden.
Diesen Weg beschreiten heute auch Medien, indem sie Menschen nach ihren
Erinnerungen zu prägenden Erlebnissen befragen.
Es wurden auch schon Gespräche mit Senioren geführt, die gerne über ihre
Kindheit und Jugend an Schulen berichten und damit den jungen Menschen einen
Einblick in die Vergangenheit der Senioren geben würden.
Damit könnte gezeigt werden, dass der heutige Lebensstandard nicht
selbstverständlich ist, sondern die heutigen Lebensverhältnisse weit von denen
abweichen, die nur wenige Jahrzehnte zurückliegen.
Fazit
Es gibt unzählige ungeklärte
Fragen, deren Beantwortung und kontextuelle Einordnung ein/e Zeithistoriker/in,
möglichst mit einschlägiger Kenntnis der württembergischen Landesgeschichte,
erarbeiten sollte.
Vor o. g. genannten Hintergrund schlägt die Verwaltung vor,
den Forschungsauftrag wie am 5. Juli 2012 vorgeschlagen als Werkvertrag an
eine/n Wissenschaftler/in zu vergeben..